Bestens vorbereitet oder planlos glücklich?

In meinem ersten Leben war ich Programmierer: Projekte mussten geplant, in einzelne Blöcke zerlegt, in Teilen programmiert und getestet werden. Ständig galt es, den Fortschritt zu kontrollieren und endlich das Programm fristgerecht sowie möglichst fehlerfrei abzugeben. Für alle Schwierigkeiten Pläne zu entwickeln, war unabdingbar.

Mein jetziges Leben als Lehrer unterscheidet sich sehr davon, arbeite ich doch mit jungen Menschen anstatt Maschinen. Und trotzdem erfordert dies Planung und Weitsicht. Dabei zeigt sich etwas Merkwürdiges: Geht man gänzlich unvorbereitet in den Unterricht, gelingt er (meist) nicht. Plant man ihn hingegen bis ins kleinste Detail und versucht dann, ihn penibel durchzuziehen, zündet er nicht. Aber durchdenkt man ihn gründlich und lässt dann Luft für das, was die Schüler:innen mitbringen, entsteht etwas viel Besseres, als man sich je hätte ausdenken können. Dies sind die absoluten Glücksmomente des Lehrers!

Gewohnt, alles gründlich zu durchdenken, bemerkte ich nicht, wie sich diese Angewohnheit zuerst in mein Leben einschlich, um sich später immer weiter hineinzufressen. Für jede, besonders aber für die herausfordernden Situationen, legte ich mir eine Anzahl von Plänen zurecht. Gelang der eine nicht, verlegte ich mich auf einen anderen. Lange ging dies gut – zu lange.

Schließlich geriet ich in eine Situation, bei der diese Taktik nicht mehr weiterhalf. Ich bekam es mit Menschen zu tun, die mir das Leben schwer machten, mich wieder und wieder angriffen. Gleich, wie gut ich vorbereitet war, wie viele Pläne ich mir für verschiedene Szenarien parat gelegt hatte: Keiner wollte greifen. Mit meiner Gesundheit ging es gleichzeitig rapide bergab: Ich konnte kaum ein-, noch durch-, geschweige denn ausschlafen. Fortwährend schreckten mich meine Gedanken auf, die mir wie Nadelstiche durch mein Herz fuhren. Das morgendliche Aufstehen fiel immer schwerer. Kurz, es stellte sich ein Burnout ein, den ich zunächst nicht bemerkte und später nicht wahrhaben wollte.

Als mir schließlich das letzte verbliebende Hobby, das mir bis dahin noch Freude bereitet hatte, zu viel wurde, wusste ich, dass ich Hilfe suchen musste. Sechs Wochen ging ich auf Kur und nutzte die Gelegenheit, mein ganzes bisheriges Leben zu hinterfragen.

Ich bemerkte, wie viel Kraft ich für das Erdenken von Plänen verbraucht hatte. Wie viel Angst vor dem Nicht-Vorhersehbaren in mir steckte. Wie ich mehr und mehr zu einer Maschine geworden war, nur, um nicht planlos dazustehen oder gar handlungsunfähig zu sein.

Seitdem arbeite ich daran, das zu ändern: Weg vom roboterhaften Handeln, hin zum wachen Erleben der inneren Stimme, die hilft, Entscheidungen der jeweiligen Situation angemessen zu treffen. 

Und um genau dies weiter üben zu können, will ich nicht einfach der Route folgen. Ich will mich der Herausforderung stellen, zu sehen, was sich mir auf dem Weg ergibt, was mir die Stimme zuruft. Die Welt miterleben, mitfließen.

3 Antworten zu „Bestens vorbereitet oder planlos glücklich?”.

  1. Hi Tom , ich kann dich sehr gut verstehen. Ich spiele seit ein paar Jahren Improtheater. Dabei habe ich gelernt, wie man auch ohne Masterplan bzw. Drehbuch auf der Bühne bestehen kann und dabei sehr viel Spaß haben kann. Meine Empfehlung: einfach mal ausprobieren 😉

    Martin

    Like

    1. Hi Martin,
      genau darüber denke ich tatsächlich schon seit einer ganzen Weile nach. Ich werde Dich fragen, was Du empfiehlst, wenn ich wieder da bin.

      Sonst führe ich immer nur Regie.

      LG
      Tom

      PS: Habe ich Deinen Kontakt?

      Like

Hinterlasse einen Kommentar