Becoming Tom.

Aus Thomas

Eigentlich heiße ich ja Thomas. Thomas Michael, um genau zu sein. Für den Namen des Kindes tragen ja die Eltern die Verantwortung. Eigentlich.

In den 60er Jahren war es noch nicht möglich, das Geschlecht eines Kindes per Ultraschall im Mutterleib zu bestimmen. Meine Eltern waren sich ganz sicher, dass sie ein Mädchen bekämen und hatten dadurch auch nur einen entsprechenden Namen parat. Kurz bevor ich das Licht dieser Welt erblicken sollte – wofür ich mir echt Zeit gelassen hatte – fragte die Hebamme, welche Namen sich meine Eltern denn ausgesucht hätten. Sie nannten den Mädchennamen. Die Geburtshelferin beäugte meine Mutter kritisch: „Was, wenn es ein Junge wird?“ In Ermangelung weiterer Ideen und in die Enge getrieben, antwortete meine Mutter kurzerhand: „Peter“. Aus irgendeinem Grunde – und ich sage heute: Gottseidank! – ließ es die Hebamme nicht dabei bewenden und erwiderte, dass „Peter“ kein passender Name sei.

Um gleich an dieser Stelle möglichen Missverständnissen zuvorzukommen, sprich, für den Fall, dass Sie selbst Peter heißen oder tolle Menschen dieses Namens kennen: Peter an sich ist prima! Bedeutet „Fels“ oder „Stein“ und gehörte in den 40er und 50er Jahren zu den beliebtesten Namen.  Nicht zuletzt sitzt ein Papst auf dem Stuhle Petri. Kurz, ein Name mit hohen Ansprüchen. Nur will er so gar nicht zu mir passen. Fragen Sie mal Menschen, die mich kennen.

Nun aber zurück zur eigentlichen Geschichte, bei der wir dort stehengeblieben waren, wo meiner Mutter mitgeteilt worden war, dass der Name nicht adäquat sei. Meine Mutter entgegnete darauf: „Ich bin sicher. Es wird ein Mädchen.“ Die Hebamme, sich ihrer Sache ebenso gewiss und anscheinend reichlich mit Erfahrung sowie Intuition gesegnet, schlug eine Wette vor: „Wenn ich gewinne, geb ich dem Jungen einen Namen und bei einem Mädchen nehmen sie ihren.“ Und so ging es nun im Kreißsaal nicht nur darum, einem überfälligen Baby endlich auf die Welt zu helfen, sondern auch, wer Recht hatte.

Für den Leser wenig überraschend – ganz im Gegenteil zu der verdatterten Eltern – kam ein Junge zur Welt und diesen benannte die Hebamme triumphierend „Thomas Michael“. Und, glauben Sie mir, das passt zu meinem Wesen deutlich besser; wegen „der Ungläubige/ Zweifelnde“, „den Finger in die Wunde legen“ und so. Können Ihnen meine Kollegen ein Lied von singen.

Noch etwas: Wenn Sie meinen Vater fragen, bestreitet er die ganze Geschichte. Meine Mutter hat sie mir aber in Kindertagen wieder und wieder erzählt. Und eine Mutter erfindet eine derartige Geschichte nicht, so dass ich mich berechtigt fühle, sie erstens als Wahrheit anzusehen und es zweitens dem fortgeschrittenen Alter meines Vaters zuzuschreiben, dass er sich daran nicht mehr erinnert.

wird Tom

In meinem Leben ist es mehr als einmal passiert, dass wichtige Impulse von außen kamen. Immer, wenn ich wach genug dafür war, konnten sie Entscheidendes in meinem Leben bewirken.

Auch dieser Teil der Geschichte beginnt mit einer Frau. Ich lernte sie vor gut zwei Jahren kennen. Wir verstanden uns prächtig, besprachen vieles miteinander. Immer wieder bemerkte ich, dass sie es strikt vermied, mich bei meinem Namen zu nennen. Irgendetwas hakte. Sie gestand mir schließlich, dass mein Name bei ihr auf allerlei Konnotationen stoße. Außerdem kenne sie zu viele Menschen gleichen Namens. Ob ich nicht noch einen anderen hätte? Oder einen, der mir viel besser gefiele? Ich kam mit allerlei, zugebenermaßen merkwürdigen Ideen. Eines Tages meinte sie schlicht: „Ich werde dich Tom nennen.“ Na, dann hätten wir das auch geklärt. War ja nicht mal so weit von meinem Namen entfernt!

Im Laufe der Zeit hörte ich genauer hin: Tom, ein Name, der mit einem (Ex)Plosivlaut beginnt, dann in ein tief-offenes „o“ übergeht und schließlich in einem warm-wohligen „m“ endet. Nun sind die Buchstaben zwar alle auch in Thomas enthalten, doch ist hier das „o“ viel flacher und am Ende mündet alles über ein helles „a“ in einem verzischelnden „s“.

Zudem gibt es Toms in jedem Schlagzeug-Set (und da sehe ich mich sofort als das mit dem tiefsten Ton). Kurz, mir gefiel der Name immer besser.

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, wurde es in meinem Leben mal ziemlich eng, so eng, dass ich gezwungen war, mein bisheriges Dasein anzuschauen, die Weichen umzustellen und mich neu zu (er)finden. Eines Tages ging mir auf, dass der neue Name mit dem Menschen, der ich seitdem versuche zu werden, hervorragend Hand in Hand geht. Und so beschloss ich, dass alle Menschen, die zu meinem neuen Leben gehören, diesen Prozess durch den Namen „Tom“ unterstützen können.

Wenn ich jetzt „Tom“ höre, fühle ich mich bestätigt und dazu ermutigt, weiter voranzuschreiten:

Einfach. Tom. Werden.

2 Antworten zu „Becoming Tom.”.

  1. 🤣😍💪🙋‍♀️

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar