Privatstunden mit Dave.

Ich verabschiede mich von Ms Jimmie. Sie gibt mir noch mit, dass sie es besonders gefreut habe, dass ich immer lächle. Thailand, Land des Lächelns. 

Mein Taxi ist pünktlich und eine ¾ Stunde später sind wir in Wichit. Dort erwartet mich bereits Jum. Sie ist die Seele der Segelschule „Sail in Asia“ und hat das Hotel für mich organisiert. Hier werde ich nun 14 Tage verbringen. Der Kurs heißt „From Zero To Hero“.

Wir werden auf kleineren Booten starten, unser Funksprechzeugnis ablegen, dann auf immer größere umsteigen. Dazu gehört auch eine Menge Theorieunterricht. Am Schluss ist die ISSA-Prüfung zum Inshore-Skipper zu bewältigen. Wer mich kennt: Mal wieder ´ne Lizenz. Sie berechtigt zum Segeln bei Tag in bis zu 20 Meilen Entfernung zur Küste.

Am nächsten Morgen laufe ich 5 min am Strand entlang zur Segelschule. Jum begrüßt mich und da sitzt auch schon David (genannt Dave), mein Segellehrer. Es ist noch ein zweiter Teilnehmer angemeldet, so erklärt er mir, aber der stoße erst heute Nachmittag dazu.

Nach etwas Papierkram und dem Üben von einigen Knoten geht es auch schon los. Ein Motorschlauchboot bringt uns aufs Segelboot, dass an einer Mooring liegt. Von wegen kleines Boot.

Eine Platu 25: 7,60 m lang, 2,2 m breit, Tiefgang 1,7 m, 1,1 Tonnen. Während wir das Boot klar machen, erzählt er mir, dass es sich um ein sehr wendiges und schnelles Boot handelt, dafür gebaut, Rennen zu fahren.

Kaum sind Vor- und Großsegel aufgezogen, drehen wir aus dem Wind, die Segel füllen sich und wir fahren in die Bucht hinaus. Sehr bald drückt mir Dave die Pinne in die eine und die Leine für das Großschot in die andere Hand.

Wir haben einen recht frischen Wind und rasch krängt das Boot deutlich. Bald gehen wir hart an den Wind und wir fahren so, dass sich die Leeseite des Bootes auf Höhe der Wasserlinie befindet. Wir selbst sitzen gegenüber auf der Kante des Decks.

Wenn man es nicht gewohnt ist, dass ein Boot mit 45 Grad Schräglage durchs Wasser pflügt und man halb an Deck und halb auf dem Rumpf sitzt: ziemlich furchteinflößend. Meine Aufgabe ist es, das Boot durch Steuern und die Bedienung des Groß hart am Wind halten. Hört sich einfach an, ist es aber nicht. Da es sich um ein Rennboot handelt, reagiert es auf kleinste Impulse, die jedoch etwas zeitverzögert umgesetzt werden.

Währenddessen erzählt mir Dave fröhlich von seiner Kariere als Regattasegler. Er war dreimaliger Weltjugendmeister. Nichts, was er segelerisch nicht schon gemacht hätte. Während er plaudert, achtet er darauf, dass ich das Boot auf Kurs halte.

Der Wind ist unbeständig, kommt mal hier-, mal dorther, frischt zeitweilig in Böen deutlich auf. Darauf muss ständig reagiert werden. „Nicht reagieren, agieren!“, predigt Dave und zeigt mir, wie Wasserfarbe und Welle zu lesen sind.

Als Demonstration seiner Fähigkeiten sagt er Sachen wie: „In 15 Sekunden kommen wir in stärkeren Wind, achte auf das Groß.“ Seine Voraussagen treffen exakt ein.

„Du musst das Wasser, das Boot, die Segel und die Geografie lesen.“ Will ich ja, aber manchmal bin ich verwirrt. Und oft weiß ich nicht, wie ich das alles gleichzeitig machen soll.

Mir kommt in den Sinn, was mir meine Mutter von ihrer ersten Fahrtstunde berichtete. Der Fahrlehrer hatte zu ihr gesagt: „Das Auto fährt schon ganz schön mit ihnen. Jetzt müssen sie nur noch lernen, dass sie es fahren.“ Das beschreibt in etwa die Situation, in der ich mich gerade befinde.

Als nächstes kommt das Wendemanöver dran. Dabei geht das Boot mit dem Bug durch den Wind. Dave fährt mir das Manöver formvollendet ein paarmal vor, dann bin ich an der Reihe.

Da heißt es, die richtigen Kommandos geben, das Boot rasch durch die No-Go-Zone steuern, die Seite wechseln und wieder volle Fahrt aufnehmen. Wir üben in schneller Folge. Routine will sich trotzdem nicht einstellen.

Es ist Mittag und wir segeln zur Mooring. Ich mache das Boot fest. Zurück zum Strand, eine Stunde Pause. Erst an Land bemerke ich, wie anstrengend das Ganze ist. Nach der Mittagspause ist der andere Teilnehmer noch nicht da.

Wieder geht es zum Boot. Diesmal soll ich es heraussegeln. Ich sonne mich in meinen neuen Fähigkeiten.

Da passiert es: Während David etwas trinkt und gerade nicht neben mir sitzt, verwechsele ich kurzzeitig die Steuerrichtungen. Rasch will ich den Fehler korrigieren und reiße die Pinne heran.

Unglücklicherweise befindet sich direkt neben uns eine Yacht. Der zu starke Steuerimpuls sorgt jetzt dafür, dass unser Boot eine gefährlich enge Kurve beschreibt, dabei krängt, Fahrt aufnimmt und direkt auf das Heck der Yacht zuschießt. In Panik klammere ich mich nur noch an die Pinne.

Dave hastet mit einem Sprung zu mir, entreißt mir das Ruder. Als wir endlich abdrehen, sind zwischen uns und der Yacht nicht einmal mehr 10 cm. Da fehlte nicht viel. Das wäre ein teurer Spaß geworden.

Kritisch ruht Daves Blick auf mir. Etwas kleinlaut schaue ich zum ihm hinauf. Doch bald kommen wir aus der Bucht frei, der Zwischenfall ist vergessen und ich übe weiter, während der Wind in Böen bis auf Windstärke 6 auffrischt.

Ab und an segeln wir Richtung Segelschule, um zu gucken, ob der andere Teilnehmer mittlerweile angekommen ist. Nichts zu sehen.

Weiter geht es hinaus aufs offene Wasser, es ist herrlich. Ich genieße, diesen Profi heute ganz allein für mich zu haben: Privatstunde: Jackpot!

Am Ende des Segeltages waren wir knapp sechs Stunden auf dem Wasser. Und bei den fordernden Bedingungen war ich fast ausschließlich an der Pinne. Jetzt nur noch das Boot für die Nacht fertig machen.

Wieder am Strand danke ich Dave für diesen herrlichen ersten Segeltag.

Ich feiere meine ersten Erfolge mit einem fantastischen Essen im Used Book Cafe , einem kleinen Restaurant, in dem ich bald Stammgast sein werde.

Die stolzen Besitzerinnen: Zwei Schwestern und ihre Mutter, die Köchin.

Auf den Nachhauseweg denke ich an das Erlebte zurück. Tiefe Freude und große Dankbarkeit erfüllen mich. Was für ein Tag! Ich kann es kaum erwarten, morgen wieder hinaus zu segeln:

Wind und Welle, ich komme!

8 Antworten zu „Privatstunden mit Dave.”.

  1. „From Zero to Hero“ –
    wie cool!!!

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  2. Hi Tom, es macht unglaublich Spaß und ist soo beeindruckend zu lesen , was du alles erlebst, fast ist man dabei. Mach weiter so. Hab viel Spaß, Freude und tolle Eindrücke weiterhin. Liebe Grüße Conny

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    1. Vielen Dank, liebe Conny!

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  3. Hallo und eine wunderschöne Zeit,
    wir lesen immer mit viel Spannung was Sie wieder neues erlebt haben.

    Viele Grüße
    Fam. Mock
    und besonders von Lana

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    1. Liebe Fam. Mock,
      vielen, lieben Dank! Ich freue mich sehr über Ihre interessierte Leserschaft!

      LG und besondere Grüße an Lana
      T. Hänßel

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  4. Avatar von Christine Hellmann
    Christine Hellmann

    Super toll, dass uns so anschaulich an deinen Abenteuern teilhaben lässt.
    L.G. Christine

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    1. Herzlichen Dank, liebe Christine!

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