Back to School.

Am zweiten Tag stößt Nigel, genannt Nige, dazu. Sein Flugzeug wurde wegen schlechten Wetters nach Krabi umgeleitet. Bis er von dort weg- und in Südphuket ankam, wurde es 23 Uhr. Bitter für den 777-Piloten.

Nige ist ein netter Aussi. Er hat, wie seine Partnerin Karin, die in zwei Tagen dazustoßen wird, schon Segelerfahrung als Crew. Nun wollen sie selbst Skipper werden. Insgesamt werden wir also zu dritt sein.

Wir haben guten Wind, also geht es aufs Wasser. Obwohl das Segeln für ihn nicht neu ist, hat Nige noch keine Erfahrung mit der Pinnensteuerung. Wir wechseln uns an Pinne/ Groß- und Vorsegel ab. Ich freue mich, dass mir die Steuerung gut von der Hand geht.

Der Wind frischt auf und wir üben die Wende unter sportlichen Bedingungen. Damit es nicht zu schnell wird, setzen wir das erste Reff. Dave zeigt uns die Halse. Auch bei dieser geht man durch den Wind, allerdings diesmal mit dem Heck.

Dieses Manöver ist deutlich anspruchsvoller, da der Baum vorher etwa 80 Grad auf der einen Seite herausreicht und dann in einem großen Bogen bis zur gegenüberliegenden Seite durchschwingt.

Geht man bei der Halse zu rasch durch den Wind, entwickelt der Baum einen lebensgefährlichen Schwung und räumt alles und jede(n) aus dem Weg. Dieses Manöver muss also – gerade bei starkem Wind – mit besonderer Vorsicht und guter Koordination ausgeführt werden.

Nicht gerade einfach. Mittags machen wir eine Stunde Pause an Land. Danach geht es wieder hinaus und wir üben fleißig weiter.

Als wir um 16 Uhr wieder zurück sind, das Segelboot an der Mooring fest und klargemacht ist, sind wir sichtlich geschafft. An Land verabschiedet sich Dave und berichtet uns, dass ab dem nächsten Tag Dan übernehmen wird.

Für die nächsten zwei Tage ist schlechtes Wetter angesagt. Wir treffen Dan am nächsten Morgen mit einem Packen Leinen vor sich. Knotenlernen ist angesagt: Dans Lieblings- und Spezialgebiet.

Knoten werden uns fortan begleiten. Jeden Morgen üben wir diese mindestens eine halbe Stunde lang. Erst wird wiederholt und dann kommen neue dazu.

Die Knoten an sich finde ich nicht so schwierig, aber diese Namen: Bowline, French Bowline, Dutch Bowline, Truckers Knot, Half-Hitch, Goat-Hitch, Daisy-Chain, um nur einige zu nennen.

Wegen starken Regens geht es danach im Unterichtsraum weiter. Am ersten Tag beginnen wir mit der Betonnung (den verschiedenen Bojen). Welche gibt es, woran erkennt man sie, welche Licht- und Tonsignale haben sie bei Nacht/ schlechter Sicht? Ein ganz schöner Brocken.

Dann befassen wir uns mit Navigation. Wir starten mit Maßeinheiten und lernen die Seekarten kennen. Sie können über 100 verschiedene Symbole beinhalten, von den verschiedenen Bojen bis hin zu Markierungen für Gezeitenströmungen. Auch der Umgang mit dem Navigationsbesteck will geübt werden.

Kursbestimmung ist eine Sache für sich. Es gilt, Deklination und Deviation zu beachten und in wahren Kurs umzurechnen. Dazu kommt seitlicher Versatz durch Tidenströme, Winddrift und den Kiel. Während der Fahrt ist immer wieder die Position genau zu bestimmen. Auch dafür gibt es verschiedene Methoden.

Man könnte ja meinen, dass das nicht so wichtig wäre, sobald man sich von der Küste entfernt. Doch auch dort können gefährliche Untiefen lauern. Gerade hier vor Ort gibt es beispielsweise Unmengen von Korallenriffen, die dem Boot gefährlich werden können.

Kein Wunder also, dass jedes Boot über einen Kartentisch verfügt. Es gibt heute zwar jede Menge elektronische Helferlein, doch was, wenn die Elektrik oder Elektronik versagt? Also studieren wir Tidentabellen und Almanche, zeichnen und berechnen Kurse.

Hatte ich schon erwähnt, dass der Kurs komplett in Englisch gehalten wird? Man könnte ja meinen, dass mir das als Englischlehrer nicht schwerfiele. Da die nautischen Begriffe aber nicht zum Alltagsenglisch gehören, habe ich manchmal meine liebe Not mit ihnen.

An dieser Stelle möchte ich einen Gedanken einfügen, der mich in den letzten Tagen immer wieder beschäftigt. Dazu kurz die Vorgeschichte:

In meiner Schulzeit habe ich im Englischunterricht kaum bis gar nicht aufgespasst. „Brauche ich später sowieso nicht“, dachte ich. Das war noch in der Zeit, in der es weder Internet noch das Wort Globalisierung gab.

Ende der 8. Klasse stand ich auf einer 4-. Tendenz fallend. Meine Eltern zogen die Reißleine. Ich bekam einen Monat Sprachreise für die Sommerferien verordnet.

Ich schimpfte wie ein Rohrspatz: Vier Wochen meiner kostbaren Sommerferien vergeuden? Vormittags Schule und nachmittags zusätzlich noch Intensivkurs? Die spinnen wohl!

Aber da half kein Diskutieren, es ging nach Brighton. Dann geschah etwas Merkwürdiges. Eines Morgens wachte ich auf und hatte in englischer Sprache geträumt. Dann bemerkte ich, dass ich darüber in der anderen Sprache nachdachte.

Das änderte alles. In den darauffolgenden zwei Jahren bin ich noch zweimal auf Sprachreise gefahren, diesmal freiwillig.

Und nun komme ich auf meinen Gedanken zurück. Heute ist vieles, was ich mache – und davon ist Sprachunterricht nur ein kleiner Teil – mit dem Beherrschen der Sprache verbunden:

Ich lese Bücher und schaue Filme im Original. Auf Reisen kommt man schnell ins Gespräch, kann nachfragen. Oder man findet die benötigten Informationen im Internet.

Mutter und Vater, ich bin Euch echt dankbar, dass Ihr damals nicht nachgegeben habt!

Zurück zum Segelunterricht. Am nächsten Tag geht es ans Funken. Wir lernen die verschiedenen Geräte kennen und bedienen, üben das Funkalphabet und üben, korrekte Funksprüche abzusetzen. Vor allem befassen wir uns mit den Pan-Pan- und den Mayday-Meldungen (größere, eventuell gefährliche Pannen und akuter Notfälle), damit eine schnelle Rettungskette aufgebaut werden kann. Der Tag endet mit der VHF-Funkprüfung. Wir bestehen.

Nach zwei Tagen Klassenraum soll morgen das Wetter endlich besser werden. Wenn alles gut geht, werden wir auf ein größeres Boot umsteigen.

Regen, verzieh dich. Wind, frisch auf!

Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder aufs Wasser zu kommen!

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