Phnom Penh – The Killing Fields

Mit gemischten Gefühlen breche ich nach Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas, auf. Diese Stadt ist zu einem Symbol für die dunkelste Zeit des Landes geworden: der Terrorherrschaft und dem Genozid der Roten Khmer, deren Nachwirkungen bis heute deutlich zu spüren sind.

Ich erreiche Phnom Phen am frühen Nachmittag. Zwischen der Haltestelle und dem „AussieXL“ liegt ein 20minütiger Fußmarsch. Als ich im Hotel meinen Rucksack ausräume, schlägt mir ein schimmlig-muffiger Geruch entgegen.

Je mehr Sachen ich zutage befördere, desto stärker wird er. An einigen Stücken sind Ansätze von Stockflecken zu erkennen.

Langsam wird mir klar, dass der Rucksack auf dem Weg nach Koh Rong Sanloem so durchnässt wurde, dass alles darin feucht geworden sein muss. Ich hole meist nur die oberen Lagen heraus. Die Dinge, die ich immer brauche.

Auf der Insel trocknete nichts. Regenfälle und konstant hohe Luftfeuchtkeit verhinderten das. Eine Badehose, die man abends aufgehängt hatte, war am Morgen noch genauso nass.

Es hilft nichts: alle auspacken. Binnen kürzester Zeit stapeln sich Kleidung und Ausrüstung im Zimmer. Alles im Moment nicht Benötigte werfe ich auf einen rasch anwachsenden Haufen und gebe es anschließend in die Wäscherei.

Den Rest hänge ich auf und lasse die Klimaanlage auf Hochtouren laufen. In kurzer Zeit ist der Raum eiskalt. Ich nutze die Zeit, um im Hotelrestaurant etwas zu essen. Hier wird mir bewusst, warum das Hotel unter dem Namen „AussieXL“ firmiert.

An der Bar sitzen fast ausschließlich sich lautstark unterhaltende Australier, auf 4 Bildschirmen flimmern gleichzeitig verschiedenste Sportevents, spottbilliges Bier fließt in Strömen und die Karte hat außer Steak, Burgern und Pommes wenig zu bieten. Die Preisen dafür lassen rasch die Frage aufkommen, ob man sich nicht besser flüssig ernähren sollte.

Bevor ich auf mein Zimmer gehe, buche ich noch eine Besichtigungstour der „Killing Fields“ für den übernächsten Tag. Wieder oben stelle ich erfreut fest, dass die Sachen bereits anfangen zu trocknen.

Der nächste Tag vergeht, indem ich eine ausführliche Erkundungstour durch die Stadt zu Fuß unternehme.

Auf dem Markt:

Nationalmuseum:

Königspalast:

Straßenszenen

Am Ende des Rundganges mache ich noch einen Abstecher zur Wäscherei und kehre mit einem Stapel frischer Wäsche ins Hotel zurück.

In der Nacht finde ich wenig Schlaf. Mir ist bewusst, dass ich morgen die Gedenkstädten des Genozids, dem ein Drittel der Gesamtbevölkerung Kambodschas zum Opfer gefallen ist, besuchen werde.

The Killing Fields

Auf der Busfahrt zu den Killing Fields macht uns der Führer mit der Geschichte Kambodschas vertraut:

Das alte Königreich der Khmer umfasste neben Kambodscha das heutige Thailand, Laos und Vietnam. Mitte des 19. Jahrhunderts fiel es unter französische Kolonialherrschaft. Ein Jahrhundert später erhielt es unter König Sihanouk seine Unabhängigkeit zurück, hatte jedoch in der Zwischenzeit die Gebiete von Thailand und Vietnam eingebüßt.

Mit Hilfe der Amerikaner stürzte der General Lon Nol den König. Sihanouk suchte Verbündete. Er fand sie in den Roten Khmer, einer kommunistisch-maoistischen Untergrundbewegung.

Im April des Jahres 1975 erreichten deren Truppen, angeführt von Pol Pot, einem ehemaligen Mönch, der später in Europa studierte, die Hauptstadt.

Sofort ließ das neue Regime alle Städte räumen. In diesen witterte man die Gefahr des Umsturzes. Innerhalb von drei Tagen war Phnom Penh menschenleer.

Intellektuelle und Künstler wurden umgehend festgesetzt. Im ganzen Land begann eine Jagd auf Menschen, die angeblich mit den Amerikanern kooperiert hatten. Gegenseitige Denunziation war an der Tagesordnung. Jeder konnte unter den Verdacht, Spitzel der CIA gewesen zu sein, fallen.

Die Verdächtigen wurden in ehemalige Schulen oder andere öffentliche Gebäude verbracht, die zu Gefängnissen umgebaut worden waren. Mit brutalsten Foltermethoden wurden sie so lange gequält, bis sie bereit waren, alles zu gestehen. Ihnen wurde versprochen, dass sie nach dem Geständnis bald wieder nach Hause zurückkehren könnten.

In Wirklichkeit wurden sie jedoch zu den Killing Fields gebracht, die es im ganzen Land gab. Die Roten Khmer waren darauf bedacht, die Menschen langsam zu Tode zu quälen. Die Details erspare ich dem Leser.

Nicht nur Erwachsene und Jugendliche, sondern auch Kinder und sogar Säuglinge wurden von der „Säuberungsaktion“ erfasst. Man war der Meinung, das „Übel“ müsse bis in die Wurzeln ausgerottet werden. 2,2 Millionen Kambodschaner kamen innerhalb der 4jährigen Terrorherrschaft des Pol-Pot-Regimes ums Leben.1

Nach einer halbstündigen Busfahrt erreichen wir das Killing Field Choeung Ek. Bleierne Schwere und tiefe Betroffenheit legen sich auf die Seele. Während wir einzelne Stationen besichtigen, lässt mich die Frage nicht los, wie Menschen im Namen irgendeines Glaubens, sei er ideologischer oder religiöser Natur, immer wieder solche Gräuel verüben können!?

Im Anschluss treffen wir einen der wenigen Überlebenden, der uns Einblicke in seine Erlebnisse gibt.

Dann fahren wir wieder nach Phnom Phen zurück, um eines der Foltergefängisse zu besichtigen. Während der Fahrt komme ich mit Rob, einem australischen Reiseschriftsteller ins Gespräch. Wir tauschen Telefonnummern aus. Ihn werde ich in Siem Reap wiedertreffen.

Zutiefst ergriffen und bedrückt erreiche ich das Hotel. Wie gut, dass ich morgen Phnom Penh verlasse. Wie bedeutungslos erscheint mir nun die Sorge um mein Reisegepäck.

Die Dunkelheit der Nacht lässt die Schreckensbilder und vor allem -geschichten immer wieder aufleben, so dass an Schlaf kaum zu denken ist.

  1. Wikipedia-Artikel dazu. ↩︎

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