Angkor Wat, Montezuma und der falsche Hunderter.

Angkor Wat, eines der Sehnsuchtsziele jedes Südostasien-Reisenden, liegt vor mir. Wer kennt sie nicht, die geheimnisvollen Sandsteintempel, die im Dschungel liegen?  In jedem Südostasien-Reiseführer werden sie gezeigt und haben auch in Filmen ihren Eingang gefunden: „Lara Croft: Tomb Raider“ wurde dort gedreht. Und die Kulissen in „Indiana Jones: Der Tempel des Todes“ waren davon inspiriert.

So steht Siem Reap, wo sich die Tempel befinden, auch auf meiner Bucketlist. Eine volle Woche will ich mir dafür nehmen.

Früh stehe ich an der Bushaltestelle in Phnom Penh und wundere mich, dass alle außer mir aufgefordert werden, einzusteigen. Als ich noch einmal mein Ticket vorzeige, werde auch ich hereingelassen, bekomme aber nicht den gebuchten Sitzplatz. Komisch.

In Siem Reap angekommen, soll ich eigentlich von einem Tuktuk abgeholt werden. Über eine Stunde vergeht, nichts passiert. Schließlich rufe ich das Hotel an.

Mit dem Tuktuk Richtung Hotel

Zwei sichtlich irritierte, junge Rezeptionisten erwarten mich: Mein Zimmer ist belegt.

Schnell wird klar, was passiert ist: Ich habe Phnom Penh einen Tag zu früh verlassen! Nach den erschütternden Erlebnissen in den Killing Fields muss es mein Unterbewusstsein sehr eilig gehabt haben, der Stadt zu entkommen. Das Hotel ist ausgebucht, ich für eine Nacht in einem anderen untergebracht.

Am nächsten Tag ziehe ich um und leihe einen Motorroller. Damit erkunde ich die Umgebung und fahre zum Tonle Sap, dem größten Süßwassersee Südostasiens. Jetzt, in der Regenzeit, ist er mit 25.000 km2 in der größer als Mecklenburg-Vorpommern. Endlos breitet er sich vor mir aus.

Vorbei geht es an kleinen Ortschaften, deren Häuser auf Stelzen im See gebaut sind. Es riecht intensiv nach Fisch. Früher hat der See ganz Kambodscha samt den Nachbarländern versorgt. Heute ist er überfischt, die Erträge eher kläglich.

Am darauffolgenden Tag will ich endlich Angkor Wat erkunden, natürlich bei Sonnenaufgang. Um 5 Uhr wird das etwa 6 x 6 km große Areal geöffnet. Ich stehe um 4 Uhr auf und schaue in die Nachthimmel: wolkenlos – ideal.

Ich schwinge mich auf den Roller. Kurz vor Angkor Wat, ich liege gut in der Zeit, werde ich an einer Straßensperre gestoppt und soll mein Ticket vorzeigen. Wie soll das gehen? Das will ich doch vor Ort kaufen.

Der Wachhabende teilt mir freundlich mit, dass man am Tempel keine Tickets kaufen kann. Aber es ginge auch online. Während der Himmel langsam heller wird, gebe ich hastig meine Daten ein.

Aber die Zahlungsaufforderung lässt nur Kreditkarten zu. Die Daten meiner Ersatzkarte werden online nicht akzeptiert. Und meine Hauptkarte ist defekt. Aber das ist Stoff für einen weiteren Beitrag.

Ich frage, wo sich das Ticketcenter: 13 Minuten Fahrt entfernt!. Hastig drehe ich um und brause durch den immer heller werdenden Morgen.

Im Ticketcenter stelle ich mich in die Schlange für die 3-Tage-Tickets. Als ich an der Reihe bin, bezahle ich mit einem 100 Dollar-Schein. Die Inflation ist in Kambodscha so hoch, dass US-Dollar als Ersatzwährung genutzt werden. Nur kleinere Beträge zahlt man in der Landeswährung Riel.

Doch die Frau am Schalter beäugt meinen Schein mit gerunzelter Stirn und verschwindet. Als sie zurückkehrt, teilt sie mir mit, ihr Supervisor habe sie angewiesen, ihn nicht akzeptieren: Es sei zu dreckig.

Ich wusste bereits, dass die Scheine nicht abgenutzt oder zu oft gefaltet sein dürfen. Doch ich verstehe nicht, was mit diesem nicht stimmen sollte. Dreck kann ich nicht erkennen.

Es hilft alles nichts, ich muss zurück ins Hotel, meine Kreditkarte holen. Wieder eine Viertelstunde Fahrt. In meinem Rücken geht die Sonne mit herrlichen Farben auf. Und ich habe noch immer kein Ticket!

Im Hotel schnappe ich mir die Kreditkarte und schwinge mich erneut auf den Roller. Eigentlich weiß ich genau, dass jetzt jede Eile unnötig ist. Und trotzdem erwische ich mich dabei, wie ich immer wieder Gas gebe und mich waghalsig durch den Verkehr schlängele.

Das fällt in Kambodscha nicht auf, Verkehrsregel existieren lediglich auf dem Papier. Trotzdem muss ich mich vorsehen. Die Polizei hat es auf zahlungskräftige Touristen abgesehen.

Im Ticketcenter erhalte ich endlich meine Eintrittskarte. Nun weiter nach Angkor Wat. Es ist kurz vor Sieben, als ich den Roller auf einem Parkplatz abstelle. Quietschend kommt ein weiteres Motorrad neben mir zum Stehen.

Der junge Fahrer erklärt mir, dass ich die Straßenkontrolle ohne anzuhalten passiert hätte. Ups. Lächelnd kontrolliert er mein Ticket und meint: „Das ist dein erster Tag in Angkor Wat. Kann passieren. Nächstes Mal: Anhalten!“

Endlich betrete ich das Gelände. Angkor Wat ist nur einer der vielen Tempeln in dem Areal. Die einzelnen Anlagen sind weit voneinander entfernt. Zudem gibt es weitere, die bis zu einer Stunde Fahrt entfernt von Siem Reap liegen.

Endlich in Angkor Wat! Und ich bin enttäuscht. Die Sandsteine sind arg heruntergewaschen, von Dschungelatmosphäre nichts zu spüren.

Die Sonne brennt vom Himmel. Die nächste Anlage auf dem Gelände, Angkor Thom, ist 4,5 km entfernt. Dahin zu laufen, kommt in der Hitze nicht in Frage. Außerdem spüre ich ein merkwürdiges Drücken und Grummeln in meinem Bauch. Ob mich Montezumas Rache, der Schrecken jedes Fernreisenden, ereilt hat?

Ich gehe zurück und fahre um das Gelände herum zu einem anderen Eingang. Wieder eine Kontrolle, dann werde ich durchgewunken. Ich komme durch ein Tor, das schon mehr wie das Erträumte aussieht.

Kurz vor dem Tempel: Stau. Eine Affenhorde behindert den Verkehr. Der kleinere aber viel schönere Tempel gefällt mir schon besser.

Affen auf der Straße

Am frühen Nachmittag muss ich schleunigst den Heimweg antreten. Meine Befürchtung ist wahr geworden. Auch ich bin ein Opfer Monezumas.

Am Abend will ich die Frage mit dem 100-Dollar-Schein klären. Der junge Mann an der Rezeption braucht nur wenige Sekunden. Dann erklärt er mir, die Banknote sei weder dreckig noch abgenutzt.

„Aber hier, hast du das nicht gesehen?“ Ich setze meine Lesebrille auf. In der Mitte des Scheins, im dunklen Sicherheitsstreifen, befindet sich ein ca. 1 mm langer Riss.

„Den wird keiner annehmen. Willkommen in Kambodscha“, teilt er mir teilnahmslos mit. „Nicht mal eine Bank?“ „Nein, auch keine Bank. Vielleicht findest du ja jemanden, der ihn dir gegen einen Abschlag umtauscht“, sagt er mit einem Schulterzucken.

Wie ich den finden soll, bleibt sein Geheimnis. Mir bleibt keine Zeit mehr nachzufragen, Montezuma fordert einen weiteren Tribut.

Hinterlasse einen Kommentar