Insolvent.

Ich erreiche meine Unterkunft in Pakse/ Laos gegen frühen Mittag. Tina, die Besitzerin, steht schon bereit. Das einfaches Zimmer zeigt, dass hier Vieles selbst gebaut wurde. Vorherrschende Farbe: Barbie-Pink. Später werde ich die Geschichte des „Heaven Guesthouse“ noch genauer erfahren.

Ich muss die Geldfrage angehen. Keine der beiden Karten funktioniert, letzte Bargeldvorräte sind fast aufgebraucht. Mir bleibt nur ein Geldtransfer und ich recherchiere im Internet.

Zwar gibt es verschiedenste Möglichkeiten, doch einen schnellen und vertrauenswürdigen Dienst zu finden, der zudem eine Filiale in Pakse hat, scheint fast aussichtslos. Nach Stunden finde ich ein passendes Angebot.

Mit Herzklopfen fülle ich das Formular für den Transfer von 500 Dollar aus. Ein letztes Zögern, denn klicke ich „Jetzt ausführen“. Sekunden später Erleichterung: Ich erhalte die Bestätigung, dass das Geld am kommenden Tag zur Abholung bereitsteht.

Am nächsten Morgen miete ich einen Motorroller, mit dem ich gleich zur Bank fahren will. Doch der Vermieter will meinen Pass als Sicherheit einbehalten. Aber genau den brauche ich, um das Geld abholen zu können.

Nach langer Diskussion werden wir uns einig: Zwei Mitarbeiter bringen den Roller, bekommen den Pass und eskortieren mich zur Bank. Erst in der Bank händigen sie mir den Pass wieder aus.

Nachdem am Schalter die Formalitäten geklärt sind, dauert die Abwicklung eine halbe Stunde. Geduldig warte ich mit meiner Eskorte auf das Geld. Einige der Bankangestellten beäugen uns kritisch: Wird da ein Tourist zu etwas gezwungen?

Schließlich sind die Dollar in die Landeswährung getauscht, der Pass ist beim Vermieter und ich bin endlich flüssig! Dazu Millionär!

Über 10 Millionen Kip erhalte ich für die 500 Dollar. Bei einer Währung, dessen höchster Schein ein 100.000er ist, halte ich einen Stapel in den Händen, den ich nur aus Monopolyspielen und Rappervideos kenne.

Doch Montezumas Rache ist zurück, schlimmer als zuvor. Zwar nehme ich die Tabletten, die mir mein Arzt für schwere Fälle verschrieben hat, doch sie schlagen nicht an. So bleibt mir nur, im „Heaven Guesthouse“ zu bleiben und ein striktes Fasten einzulegen.

Nach 2 Tagen ist der Spuk endlich vorüber. Bisher konnte ich mir von Pakse kaum etwas ansehen. Ich fahre mit dem Motorroller zum Golden Buddha hinauf. Oben angekommen schaut man über den Mekong, der breit und von Schlamm beladen dahinfließt.

Im Tempel setze ich mich etwas beiseite und versenke mich. Ein Mönch sitzt vor der Buddhastatue. Gläubige rücken auf Knien an ihn heran und werden gesegnet.

Schließlich wird es still im Tempel. Der Mönch schaut mich an, murmelt etwas und macht eine Geste mit seiner rechten Hand. Dabei ist der Handrücken nach oben gekehrt und die ausgestreckten Finger klappen mehrfach an die Handfläche heran.

Ich schaue mich um, wir sind allein. Und langsam dämmert es mir. Ich habe diese Geste schon mehrfach gesehen, sie bedeutet: „Komm.“

So rücke auch ich auf Knien an den Mönch heran, lege eine Gabe in die Opferschale und verneige mich tief. Er spricht ein Mantra und bedeutet mir, den Oberkörper aufzurichten. Er fordert meine rechte Hand, nimmt ein gelb-oranges Bändchen und bindet es um mein Handgelenk. Vierfach wird es geknotet und mit jedem Knoten rezitiert er einen Spruch.

Dann ist die Linke an der Reihe und der Vorgang wiederholt sich.

Wieder ist es Zeit, sich zu verbeugen. Der Mönch nimmt einen Reisigbesen und taucht ihn heiliges Wasser. Während er ein Gebet spricht, sprenkelt er das Wasser auf mich.

Meine Seele beginnt zu schwingen. Etwas in ihr erhebt sich, Zeit und Raum treten in den Hintergrund. Ich betrachte die Welt wie von erhöhter Warte. Etwas Friedliches, Ruhevolles, Gelöstes breitet sich in mir aus.

Dieser Zustand begleitet mich durch den restlichen Tag. Ich sitze noch eine ganze Weile draußen vor dem goldenen Buddha, betrachte den mit gelbem Schlamm beladenden Mekong und lasse es Abend werden. Gibt es etwas Schöneres als schauend in die Nacht herüberzugleiten, mich „eindunkeln zu lassen“?

Am Abend sitzen Tina, ihre Familie und ich beim Barbecue zusammen. Sie erzählt mir, dass ihre Mutter verstorben und ihr Vater arbeitslos gewesen sei. Sie hat Geld aufgenommen und mit den beschränkten Mitteln und viel Eigenarbeit dieses Guesthouse aufgebaut.

Gerade als es fertig geworden war und das Geschäft anlief, brachte Covid den Tourismus zum Erliegen. Vom Staat kam keine Hilfe. Im Gegenteil. Korruption war und ist an der Tagesordnung.

Immer wieder muss sie „Ordnungsgelder“ an Beamte zahlen, die es sich in die eigene Tasche stecken. Um das Geschaffene nicht zu gefährden, musste sie einen weiteren Kredit aufnehmen.

Die Last, beide zurückzahlen zu müssen, liegt schwer auf ihren Schultern. Dabei strahlt sie unerschütterliche Fröhlichkeit, Zugewandtheit und etwas positiv Kämpferisches aus. „Von Tina kannst du nur lernen“, denke ich.

Voller Tatendrang breche ich am nächsten Tag zu den Wasserfällen auf. Tina rät mir noch, die Regenjacke mitzunehmen. Als ich in die Berge hinauffahre, beginnt es zu schütten. Trotz Regenjacke bin ich bald durchnässt.

Bibbernd verharre ich eine Stunde in einem Café beim Wasserfall und fahre zurück. Am Abend finde ich Tina und einige ihrer Freundinnen zusammen mit einem jungen deutschen Pärchen bei Trinkspielen.

Ich wehre mich, aber es hilft nichts: Ich muss mitmachen. Wieder einmal wird mir bewusst, dass ich zur älteren Generation gehöre. Früher haben wir einfach nur getrunken. Und so kenne ich keines der Spiele, was die restlichen Anwesenden einigermaßen überrascht.

Aber die Regeln sind schnell erklärt. Es wird viel gelacht, Lao-Whiskey und Selbstgebrannter fließt Strömen. Nach 19 Shots verabschiede ich mich, morgen geht es mit dem Bus zu den „4000 Inseln“ im Mekongdelta.

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