30 Stunden Deutschland.

Nach der 5tägigen erlebnisreichen Tauchsafari komme ich am abends wieder in Phuket an.

Ich will Weihnachten und Neujahr – wie in den vergangenen Jahren – auf Teneriffa in verbringen. Dort findet jedes Jahr ein Meditationsseminar statt, das ich seit 2020 besuche.

Bei der Recherche nach günstigen Flügen dorthin fällt mir auf, dass ich möglichst schon am 16. Dezember dort sein sollte. Dann sind sowohl Flug als auch Mietwagen um Einiges günstiger.

Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass ich am 15. fliegen müsste. Das stellt mich vor ein Problem:

Am 15. heiratet mein Vater! Eigentlich war verabredet, dass ich mich per Videochat zu dieser Feierlichkeit dazugeselle. Wenn ich aber an dem Tag nach Teneriffa fliege, ist das nicht möglich.

Dies bringt mich auf eine neue Idee: Wie wäre es, wenn ich am Tag davor nach Deutschland fliege, um selbst bei der Hochzeit dabei zu sein?

Ein paar Recherchen später buche ich Flüge, Mietwagen und Zug.

Eigentlich hatte ich überlegt, das Brautpaar mit meiner Anwesenheit zu überraschen. Ein Telefonat mit einer sehr guten Freundin überzeugt mich jedoch davon, die Beiden zu informieren. Als ich meinem Vater anrufe, ist die Freude ist groß.

On my way

Am 14. Dezember mache ich mich auf den Weg. Ein Taxi bringt mich zum Flughafen auf Phuket. Zunächst geht es nach Bangkok. Dort steige nach Frankfurt um. Da ich mit der Sonne fliege, komme ich gegen 20 Uhr in Frankfurt an.

Dort gibt es wenig erfreuliche Neuigkeiten: Erst nach einer Stunde erhalte ich mein Gepäck und viele Züge fallen aus. So bin ich erst nach 24 Stunden Reise in Kassel.

Eine gute Freundin, die ab und an nach meiner Wohnung sieht, gibt mir den Schlüssel und leiht mir Bettzeug für die zwei Nächste, die ich auf deutschem Boden verbringen werde.

Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wieder in Europa zu sein. Kaum betritt man heimatliche Gefilde, fällt sofort die schlechte Laune der Menschen auf, wenn etwas nicht gleich funktioniert. Das habe ich in Asien nie erlebt.

Zuhause?

Kurz vor Mitternacht betrete ich meine verwaiste Wohnung. Vor fast vier Monaten habe ich sie mit der Absicht verlassen, erst in einem Jahr wieder zurück zu sein.

Nun komme ich zurück an diesen stillen Platz: die meisten Elektrogeräte abgeschaltet, Kleidung vor Abreise komplett gewaschen, in Vakuumbeutel verpackt und zum Abschluss die Wohnung noch einmal gründlich geputzt.

So gehe ich durch mein ehemaliges Leben, zuerst in mein Arbeitszimmer mit seinen Bücherschränken, Schreibtisch, Ordnern. Meine Schultasche wartet arbeitslos auf dem Schrank.

Langsam bewege ich mich durch Wohn- und Schlafzimmer, die Küche. Hier bin ich, in meiner Wohnung, in meinem Land – und bin doch nicht da.

Schließlich kehre ich ins Arbeitszimmer zurück, sortiere die Briefe, die in der Zwischenzeit angekommen sind, hefte das Wichtige ab und versuche so, an das heimatliche Ufer zu gelangen.

Schließlich suche ich noch in den Stapeln großer Vakuumbeutel nach etwas Passendem für die Hochzeit. Kurz nach 3 Uhr schlafe ich ein.

Hochzeit

Der Wecker reißt mich nach 4 Stunden aus dem Schlaf. Ich muss unbedingt noch zum Friseur. In Thailand hatte ich in der Nähe des Hotels keinen einzigen Herrensalon gefunden.

Gegen 11 Uhr besteige ich den Zug, der mich in den kleinen Ort in der Nähe von Göttingen bringt. So schaffe ich es zwar nicht zum Standesamt, aber zum Lokal, in dem die Feier stattfindet.

Kurz vor dem Brautpaar bin ich da, ein paar Gäste sind schon anwesend. Dann kommen die Beiden in einem schicken alten Mercedes mit passend angezogenem Fahrer, den die Töchter der Braut organisiert haben.

Da kommt das Paar: mein Vater mit stolzen 86 und seine Frau mit 74 Jahren.

Wir verbringen gemütliche Stunden in diesem kalten Land, in dem ich immerfort friere. Es gibt ein hervorragendes Essen, gelungene Reden auf das Paar und auch mein Vater hält eine kurze Ansprache.

Ich bin froh, dass ich gekommen bin. Die beiden sind gut zueinander, ein stilles Glück webt zwischen ihnen. Ich freue mich aufrichtig für sie.

Die Linsen

Am Abend nehme ich den Zug zurück, packe meinen Rucksack um. Währenddessen suche ich auch nach meinem Kontaktlinsenvorrat. Er ist nirgends zu finden!

Ganz langsam dämmert mir: Das Paar Schuhe, das ich in Phuket weggeworfen habe! Ich hatte mich schon öfter gewundert, warum es sich beim Packen nicht gut komprimieren ließ.

Zu Beginn der Reise hatte ich die Linsen obenauf in meiner Kulturtasche aufbewahrt. Da ich aber nur jeden Monat ein neues Paar benötige, hatte ich nach einer Möglichkeit gesucht, sie anders zu verpacken.

Dabei war ich auf die Schuhe gekommen. Gerade jene, die ich vor zwei Wochen im Hotel entsorgt hatte!

„Oh je“, denke ich. „Die Linsen sind teure Sonderanfertigungen. Vor allem aber dauert es eine ganze Zeit, neue zu fertigen. Und wie bekomme ich die dann ins nichteuropäische Ausland?

Das sind Probleme von morgen. Nun kümmerst Du Dich erst einmal um den Rest der Sachen!“

Ich bestelle noch schnell ein Taxi für den nächsten Morgen und schreibe dem Optiker eine Mail.

Morgen früh geht es um kurz nach 6 Uhr nach Frankfurt zurück. Nach 30 Stunden werde ich Deutschland wieder verlassen, um nach Teneriffa zu fliegen.

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