Rescue-Diver.

Kaum in Deutschland angekommen, geht es schon wieder weiter. Morgens nehme ich den Zug nach Frankfurt und fliege nach Teneriffa. Gegen Mittag landen wir auf dem Südflughafen und ich nehme den Leihwagen in Empfang. Meine Gedanken wandern 3 Jahre zurück.

Rückblende: September 2020

Eng war mein Leben geworden, aus dem Lebensfilm die Farbe geschwunden. Stückchen für Stückchen war die Freude gewichen, von mir selbst kaum noch etwas übrig.

Ein letzter Strohhalm: Lindy-Hop tanzen. Als auch das nur noch Stress bereitete, wusste ich: Aus dem Loch kommst Du alleine nicht mehr heraus! Trotzdem fiel es schwer, die Autonomie aufzugeben.

Ich wandte mich an meinen Arzt. Diagnose: massiver Burnout.

Schnell war eine Einrichtung gefunden, die sich auf solche Fälle spezialisiert hat: Eridanos auf Teneriffa. Im September des Jahres trat ich dort eine 6wöchige Kur an, die mein Leben verändern sollte.

Im Hier und Jetzt

Ich freue mich auf die kommende Zeit. Als ich ankomme, begrüßt mich Johanna. Schon als ich 2020 dort eintraf, kam sie mir irgendwie bekannt vor. Als ich sie fragte, woher wir uns kennen, sagte sie: „Sie sind mein ehemaliger Religionslehrer.“

Jetzt ist sie in der Einrichtung für alles Organisatorische verantwortlich und leitet das Büro.

Wie immer beziehe ich die gleiche Hütte, wie vor drei Jahren: Casa 8, oben. Das kleine Holzhaus ist mir seit meinem ersten Besuch so vertraut.

Als ich die Tür öffne, ist alles wieder da:

Die Kämpfe, die ich hier mit mir ausgefochten habe. Der Scherbenhaufen, als der mir damals mein Leben erschien. Tränen, Verzweiflung, gebrochener Mut.

Und doch: im Neubeginn, bereit, jeden Stein umzudrehen, alles auf den Prüfstand zu stellen, mir mein Leben Stück für Stück wieder zurückzuerobern.

Seitdem bin ich jedes Jahr zum Weihnachts- /Neujahrsseminar auf der Insel. So wie jetzt auch. Aber erst einmal habe ich noch etwas anderes vor.

Rettungstaucher

Ich will tiefer hinunter, unter die 30-Meter-Marke und damit ins technische Tauchen einsteigen. Dafür benötigt man zuvor aber die Lizenz zum Rescue Diver (Rettungstaucher).

Ich habe mich schon nach einer guten Tauchschule erkundigt. Ich will das Ganze bei Scubanana machen. Dabei ist mir auch aufgefallen, dass meine Erste-Hilfe nicht mehr aktuell ist.

Also buche ich den Kurs zusammen mit der Auffrischung zum Ersthelfer (Emergency Responder 1 & 2). Der gesamte Kurs wird vom 20. bis zum 22. Dezember stattfinden. Doch es ist Bedingung, dass ich bis dahin alle Theorie-Kurse online absolviert und die schriftlichen Prüfungen erfolgreich bestanden habe.

Es bleiben mir also bis zum praktischen Teil drei Tage. Ich lerne von morgens bis abends, schaue die Videos, mache Notizen. Am Ende werde ich fast 30 Seiten mit Stichwörtern gefüllt haben.

Am Abend des 19. Dezembers lege ich die letzte Prüfung ab und bin somit bereit für den nächsten Tag.

Wieder einmal bin ich der Einzige im Kurs. Meine Lehrerin prüft das vorhandene Wissen noch einmal mündlich und einem Kurztest ab. Dann geht es an die Praxis, in der verschiede Szenarien dargestellt werden und ich entsprechend Hilfe leisten muss.

Eine ganze Weile üben wir Wiederbelebung. Am Abend ist dann auch der Praxisteil der Ersten Hilfe bestanden.

Am nächsten Morgen treffe ich auf Kati, meine Instruktorin für die nächsten zwei Tage. Katie und ihr Mann sind auf der Suche nach einem neuen Leben vor 10 Monaten auf die Insel gekommen.

Da haben sie ihren ersten Schnuppertauchgang unternommen und dann beschlossen, Tauchlehrer zu werden. Nun arbeiten beide in fester Anstellung in der Tauchschule.

Nach einem ersten Briefing stellen wir die Ausrüstung zusammen, machen uns fertig und es geht ins Wasser. Katie zeigt mir jeweils die verschiedenen Verfahren, dann muss ich sie nachmachen.

Da ich allein in dem Kurs bin, ist viel Zeit fürs Üben. Dafür bin ich jedoch auch ständig dran, keine Zeit für Erholung. Katie schaut ganz genau hin, überprüft die Abläufe genau. Wieder und wieder tauchen wir ab, um Übungen zu wiederholen, bis sie sitzen.

Am späten Nachmittag wanke ich völlig ausgebrannt aus der Schule. Wieder in meiner Hütte zurück zieht ein heftiger Muskelkater in der Brustmuskulatur auf, der mich nachts kaum schlafen lässt.

Am zweiten Tag üben wir weiter. Am Vortag hatten wir uns mit dem bewusstlosen sowie dem Taucher in Panik beschäftigt. Heute gehen wir das Retten bei Atemstillstand über und unter Wasser, dem Transport an Land und das aus dem Wasser-Bringen durch.

Am Ende der Übungen bin ich komplett geschafft, es fällt schwer, die Ausrüstung an Land zu tragen. Doch das wird von der Freude aufgewogen, alle Prüfungen erfolgreich bestanden zu haben. Ich habe die letzten drei Lizenzen für dieses Jahr erworben (EFR 1, EFR 2 und Rescue Diver).

Ich frage mich, ob es eine gute Idee war, mich auch noch für einen Nachttauchgang einzutragen. Am Abend bin wieder in der Tauchschule. Unsere kleine Gruppe macht sich fertig. Wir fahren in die Nachbarbucht, legen die Ausrüstung an und gehen an den kleinen Strand, an den das Wasser mächtig heranwogt.

Durch die Brandung steigen wir ein, schwimmen eine wenig hinaus und tauchen dann ab. Mein Buddy scheint von dem System des Beieinanderbleibens und des Füreinander-Sorgens wenig überzeugt zu sein.

Immer wieder verschwindet er hinter Riffen, entfernt sich von der Gruppe und damit von mir. Irgendwann gebe ich auf, ihm folgen zu wollen und bleibe bei den anderen.

Das Tauchen in der Dunkelheit fasziniert mich immer wieder. Wir beobachten Stachelrochen, die sich in den Sand eingegraben haben und jagende Oktopusse. Nach 50 Minuten geht es an die Oberfläche und zurück durch die Brandung.

Später sitze ich noch lange in der Dunkelheit vor meiner Hütte, lasse die Erlebnisse der letzten Tage Revue passieren und schaue in den Nachthimmel über der Insel.

Tiefe Dankbarkeit erfüllt mich. Was für ein Segen, drei Jahre nachdem das letzte Licht geschwunden war, immer mehr bei mir anzukommen, dieses neue Leben führen zu dürfen!

Einfach . Tom . Werden

Hinterlasse einen Kommentar