Going Back.

„Deine Blutwerte sind ok. Ich glaube nicht, dass es sich bei der Flüssigkeitsansammlung in Deinem Knie um Eiter handelt. Lass Dir Thrombosespritzen verschreiben und kühl auf dem Flug das Knie. Dann kannst Du starten“, so lautet bei einem Telefonat der Rat Danials, eines deutschen Arztes. Ich atme erleichtert auf.

Klare Worte – sicheres Urteil: Das liebe ich. Lieber Danial, herzlichen Dank!

Den Kontakt hatte eine gute Freundin hergestellt. Noch davor hatte mein Vater, selbst ehemals Krankenpfleger, zu bedenken gegeben: „Wenn es sich um eine Eiterkapsel handelt und Du damit fliegst, besteht die Gefahr, dass sie platzt. Dann kommt es zu einer akuten Blutvergiftung!“

Rückblende

Zurück aus der Klinik in den Cameron Highlands buche ich mich für eine Nacht im Father’s Guesthouse ein. Dort nehme ich den Rest meiner Sachen in Empfang und besorge mir ein Busticket nach Kuala Lumpur.

Gegen späten Nachmittag des Folgetags komme ich auf dem Busbahnhof an. Jetzt muss ich nur noch zu meiner 6 km Unterkunft. Die habe ich so gewählt, dass sie in der Nähe eines Internationalen Krankenhauses liegt.

Taxi

„Taxi?“, fragt mich zweimal ein junger Mann. Mit meinem dicken Knie verbieten sich öffentliche Verkehrsmittel, zu groß die Belastung mit 29 kg Gepäck.

Nachdem wir den Preis verhandelt haben, willige ich ein. Als ich in den Wagen steige, bemerke ich, dass sich kein Taxischild darauf befindet. Zudem spricht mich der Fahrer andauernd mit „Bruder“ an. Welcome to he hood!

Worauf habe ich mich nur eingelassen? Wer weiß, wo der dich hinfährt? Ich starte Maps auf dem Handy und verfolge, ob wir in Richtung Unterkunft fahren. Auch google ich schnell noch die Notrufnummer der Polizei.

Insgesamt bewegen wir uns in die richtige Richtung, doch der Fahrer weicht mehrmals von der vorgeschlagenen Route ab.

Also verwickle ich ihn in ein Gespräch, frage ihn nach Herkunft, Alter, Familie, Freundin. Er ist in Kuala Lumpur geboren, 27 Jahre alt und fährt seit Beendigung der Schule Taxi. Eine Freundin habe er gehabt, erzählt er. Vor zwei Jahren ging die Beziehung auseinander. Außerdem seien Frauen teuer. Jetzt wolle er erst einmal Geld sparen.

In der Nähe der Unterkunft bittet er mich um mein Handy. Seines zeigt angeblich nicht die genaue Position der Hochhausblöcke an, in denen meine Wohnung für die nächsten zwei Tage liegt.

Schweren Herzens reiche ich es ihm nach vorn, lasse es und ihn keinen Augenblick aus den Augen. Erleichterung kommt erst auf, als er mich an den drei Türmen absetzt, das Handy zurückgibt und freundlich fragt, ob ich in den nächsten Tagen eine Fahrt zum Flughafen benötige. Mangels eines Zettels schreibe ich mir seine Nummer auf die Hand.

Gleneagles Hospital

In den „Three Towers“ beziehe ich ein Ein-Zimmer-Appartement. Am Abend fahre ich zur Dachterrasse hinauf und blicke über die Stadt. Wehmut kommt noch einmal auf: Nichts von dem, was ich in Malaysia vorhatte, konnte ich machen.

Doch ich brauche einen Reset. Und das Telefonat mit Danial gibt mir die Sicherheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ihm hatte ich meinen Krankenhausbericht geschickt. Und er hat mich eingehend über meinen Zustand befragt und grünes Licht gegeben. So konnte ich beruhigt den Flug buchen.

Jetzt steht noch das Besorgen der Thrombose-Spritzen aus. Am nächsten Morgen mache ich mich ins nahe gelegene Krankenhaus auf. Ich werde zur Notaufnahme geschickt.

Die Ärztin teilt mir mit, dass sie keine Befugnis für das Verschreiben von Spritzen habe. Ich soll einen Facharzt aufsuchen.

Dort fülle ich wieder eine Patientenauskunft aus. Das Sprechzimmer ist gerammelt voll, denn morgen ist Feiertag: das muslimische Neujahrsfest. Wir warten, versunken in tiefen Ledersofas und -sesseln.

Als ich an der Reihe bin, untersucht der freundliche Mann mein Knie eingehend. Er schlägt vor, Aspirin als Blutverdünner für den Flug zu nehmen.

„Ich kann subkutan spritzen!“, werfe ich ein. Etwas ungläubig schaut er mich an, zögert und willigt schließlich doch ein, mir die Spritzen zu verschreiben.

Zudem bitte ich ihn um ein Schreiben für die Fluggesellschaft, dass ich Hilfe für meine Reise erhalte. Danial hatte darauf hingewiesen, dass ich langes Stehen und Laufen vermeiden sollte.

Mit einem Rezept, dem Schreiben und 100 Euro weniger verlasse ich die Praxis. Auch in der Apotheke ist man überrascht, dass mir die Spritzen verschrieben wurden. Eingehend überprüft man meinen Reisepass.

Noch zwei Tage bis zum Abflug. Ich wasche, setze die erste Thrombosespritze und lege hauptsächlich die Beine hoch. Am Abend nutze ich das Angebot der Booking-App, ein Flughafentaxi zum Sonderpreis zu bestellen. Um 6.15 Uhr soll es mich abholen. Obwohl der junge Mann mit seinem Privattaxi nett war, hege ich doch Zweifel.

Flying Disabled

Als ich um 5 Uhr aufwache und ein Blick auf mein Handy werfe, sehe ich eine Mitteilung: mein Taxi wurde gecancelt Was nun? Um kurz nach 6 Uhr muss ich zum Flugplatz.

Kein Taxistand in der Nähe. So bleibt nur noch „Grab“. Mit dieser App kann man Taxis bestellen. Es kommt das nächste freie in der Umgebung. Einen Termin oder Zeitpunkt zu wählen, ist nicht möglich.

Also packe ich rasch meine Sachen zusammen, gebe die Keycard ab und starte Grab. Ich habe Glück. Nachdem die App eine Weile angezeigt hat, dass keine Taxis verfügbar seien, meldet sich ein Fahrer.

Am Flughafen begebe ich mich zum Schalter von Emirates, checke ein und lege mein Schreiben vor. „Bitte warten Sie hier, ich besorge Ihnen Hilfe“, sagt die freundliche Frau. Ein paar Minuten später steht ein junger Mann samt Rollstuhl für mich bereit.

Es ist schon peinlich, durch die Gänge geschoben zu werden. Es ist noch etwas Zeit am Gate. Die anderen Passagiere schauen etwas erstaunt, als ich aus dem Rollstuhl aufstehe.

Damit das nicht ganz merkwürdig aussieht, schiebe ich den Rollstuhl wie einen Rollator vor mir her, betone mein Humpeln. In der Toilette angekommen, setze ich mir die zweite Spritze.

Im Flugzeug gibt man mir einen Platz mit mehr Beinfreiheit. Die freundliche Stewardess bastelt aus mehreren Einmalhandschuhen und Eiswürfeln ein Kühlpack, das erstaunlich gut hält. 6½ Stunden sind es bis Dubai.

Auf der Gangway steht eine Frau mit einem Rollstuhl bereit. Sie ist wenig begeistert, als sie sieht, dass ich aus dem Flugzeug auf sie zugelaufen komme. Inner- und äußerlich schnaufend schiebt sie mich die Gangway hinauf.

Auf dem langen Weg zum nächsten Gate (wir müssen mit dem Zug dorthin fahren) treffen wir auf einen Kollegen, den sie anscheinend sehr mag. Ihre Laune verbessert sich schlagartig.

Im Flieger will der Purser für einen Platz mit mehr Beinfreiheit 160 Euro haben. Doch die Stewardess nimmt mich beiseite:

„Wir sind nur zur Hälfte gegebucht. Am besten warten Sie den Abschluss des Boardings ab. Dann schnappen Sie sich eine der leeren Viererreihen in der Mitte. Da können Sie sogar liegen!“

Gesagt, getan. Kaum höre ich „Boarding completed“ durch die Bordlautsprecher, wechsele ich hinüber. Ich bin doppelt froh: Mein Sitznachbar hatte vor Abflug eindeutig ein heißes Rendezvous mit Knoblauch.

Nach sehr bequemen 7 Stunden Flug setzen wir in Düsseldorf zur Landung an.

2 Antworten zu „Going Back.”.

  1. willkommen zu Hause lieber Thomas!

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    1. Lieber Wolfgang,
      danke an Dich und die Anderen, die Genesungswünsche geschickt haben. Warte/ wartet noch den Beitrag in zwei Tagen ab…

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