Hitting The Road.

Tag 1: Christchurch nach Geraldine (140 km, 2,5 Stunden)

Nach der kurzen Nacht klettere ich müde in das Auto. Ich habe mich entschieden, gleich ein Stück in Richtung Mount Cook zu fahren, damit es morgen nicht so weit ist.

So starte ich die Navigation, gebe als Ziel Geraldine ein und fahre los. Links halten! Als ich das erste Mal versuche zu blinken, geht der Scheibenwischer an. Stimmt ja, hier ist nicht nur der Fahrersitz auf der anderen Seite, auch die Hebel sind andersherum angeordnet.

Wie oft ich den folgenden Tagen die Scheibe wische, wenn ich abbiegen will, kann ich nicht zählen! Ähnlich ergeht es mir beim Einsteigen. Vor der linken Tür stehend, wundere mich, dass da kein Lenkrad ist!

Außerdem gehen mir beim Losfahren die Ratschläge des Vermieters durch den Kopf: „Immer in den Rückspiegel gucken. Du bist häufig nicht so schnell wie die anderen.

Und Neuseeländer werden schnell ungeduldig, betätigen die Lichthupe. Dann fährst Du so weit links wie möglich, vielleicht sogar noch etwas langsamer, damit der hinter Dir Dich überholen kann!“

Das ist ein völlig ungewohntes Fahren. So oft habe ich noch nie in die Spiegel geschaut. Ich fahre auf der Highway 1 nach WSW.

Highway hatte für mich immer den Klang von großer Freiheit: lange gerade Straßen, auf denen man schnell vorankommt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Gewundene kleine Landstraßen mit 100 km/h Tempolimit.

So fahre ich durch den Nieselregen des grauen Nachmittags und bin froh, dass ich nach 2 Stunden das  Ziel erreiche.

Ich freue mich auf mein Bett, doch das muss ich erst einmal fertig machen. Dafür werden zwischen die beiden längs angeordneten Rückbänke drei Bretter geschoben und die Auflagen zu einer Matratze zusammengesetzt.

Jetzt heißt es: Bettdecke und Kissen beziehen. Das gestaltet sich schwieriger als gedacht. In den beengten räumlichen Verhältnissen des Campervans ist besonders das Manövrieren der großen Bettdecke schwierig.

Ich krieche unter die Decke und schlafe bald ein.

Tag 2: Geraldine – Mount Cook – Lake Pukaki (240 km, 4 Stunden)

Am nächster Morgen, um mich herum rege Geschäftigkeit: Wagentüren knallen, Motoren starten, Knirschen von Reifen auf Schotterwegen. Ich habe hervorragend geschlafen und will noch nicht aufstehen.

Ein Blick aufs Handy belehrt mich eines Besseren: 9 Uhr, Checkout ist um 10 Uhr.

Also mache ich das Auto reisefertig. Die ungewohnten Handgriffe brauchen länger als gedacht. Jetzt noch Duschen und los. Kurz vor 10 Uhr rolle ich vom Platz. Der Aoraki Nationalpark ist mein Ziel.

Noch ist es bewölkt. Ich fahre durch die Weiten Neuseelands. Ausgedehnte Felder und Grasflächen erstrecken sich links und rechts der Straße. Große Bewässerungsanlagen. Dazwischen riesige Thujahecken. Ist das die Schönheit Neuseelands, von der alle schwärmen?

Nach 100 km lassen sich am Horizont Ansätze von Gebirge erahnen. Ich fahre auf die Wolken zu und fürchte, dass die Berge komplett in diese eingehüllt sein werden. Wie schade!

Doch als die Straße ansteigt, stoße ich plötzlich durch die Wolkendecke und da liegen sie majestätisch in strahlendem Sonnenschein vor mir. Ach, das ist es, wovon die Menschen erzählen!

Ich komme zu Lake Tekapo und kann mich an den Farben nicht sattsehen. Weiter zum Lake Pukaki. Türkisfarben taucht er rechterhand auf. Und im Hintergrund die Berge. Was für ein Anblick.

40 km führt die Straße an dem See entlang. An dessen Ende beginnt der Aoraki Nationalpark. Als ich gegen 14 Uhr dort eintreffe, sind alle Parkplätze belegt. Also parke ich weit außerhalb, ziehe Wanderschuhe an und mache mich auf den Weg.

Ich will den Sealy Tarns Track laufen. Mit leichtem Gepäck geht es den Berg hinauf. Für die ersten 500 Höhenmeter geht es fast ausschließlich über Stufen aufwärts. Gut 2000 Stück sollen es sein.

Die Sonne steht im Zenit, nirgends Schatten. Schon bald bereue ich, nur einen Liter Wasser mitgenommen zu haben. Außerdem habe ich keine Sonnencreme dabei. Clever!

So kämpfe ich mich Stufe um Stufe aufwärts. Währenddessen ziehen Neuseeländer an mir vorbei. Woran man die erkennt? Super-sportliche Typen mit freiem, gut durchtrainiertem Oberkörper.

Ich teile mein Wasser ein, suche jeden kleinen Schatten für eine kurze Rast. Endlich bin ich am Ende der Stufen.

Jetzt geht es auf einem alpinen Pfad weiter. Schon bald fängt eine leichte Kletterei an, die meine Lebensgeister weckt. So möchte ich endlos weitersteigen. Bei 700 Höhenmetern mache ich auf einem Absatz Halt.

Plötzlich höre ich einen merkwürdigen Vogelruf. Ein Kea, die einzige Berg-Papageienart der Welt, die es nur auf der Südinsel Neuseelands gibt, zieht über mich hinweg.

Eine Touristin erzählt mir später: „Mein Mann hat neulich einen Kea gefilmt, wie er in in seinen Rucksack geschlüpft ist und diesen untersucht hat. Er fand das lustig und dachte sich nichts dabei, im Rucksack war nichts Essbares.

Doch plötzlich kam der Papagei mit der Stirnlampe im Schnabel wieder heraus und ist losgeflogen. Glücklicherweise hat er sie nach gut 100 Metern aus dem Luft fallen gelassen und mein Mann hat sie wiedergefunden.“

Ich genieße die Aussicht auf Mount Cook über und die beiden ehemaligen Gletschertäler unter mir.

16.30 Uhr: Ich muss umdrehen. Ich weiß nicht genau, wann die Sonne untergeht, von dem Zuviel von Sonne, die ich abbekommen habe und dem geringen Wasservorrat ganz zu schweigen.

Beim Herunterklettern freue ich mich, dass mein linkes Knie keinen Ärger macht. Anscheinend bin ich wieder fit. Die Stufen ins Tal ziehen sich, doch jetzt bin ich mal der, der an allen vorbeizieht.

Um 18 Uhr stehe ich wieder vor dem Auto. Ein Blick in den Spiegel: Gesicht krebsrot. Hatte nicht gedacht, dass ich nach der vielen Sonne Südost-Asiens so schnell verbrenne.

Ich fahren wieder am See zurück. Im Süden liegt eine Freedom-Campingsite. Da darf mit dieser Art Campervan kostenlos stehen. Als ich gegen 19 Uhr dort eintreffe, gibt es noch ein Plätzchen für mich.

Ich parke mit der Heckklappe Richtung See. So kann ich im Bett liegen und über den See auf die Berge schauen.

Ich probiere zum ersten Mal den Gaskocher des Vans aus. Haben Nudeln je besser geschmeckt?

Nachdem die Sonne untergegangen ist, ziehen die Sterne auf. Als helles Band erstreckt sich die Milchstraße über mir. Ich stehe mit offenem Mund und mag nicht schlafen gehen.

Schließlich krabbele ich doch in das kuschelige Bett und freue mich schon auf morgen, wenn ich gleich beim Aufwachen wieder diese gewaltige Natur sehen darf.

Dankbar und demütig schlafe ich ein: Was für ein wunderbares Leben!

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