Von Gletschern, Quellen und Walen.

Tag 9: Fox Glacier – Maruia Hot Springs (437km / 6,5 Std.)

Heute kann ich es gemütlich angehen lassen. In aller Ruhe bringe ich den Camper in Ordnung. Plötzlich klingelt mein Telefon. Auf der neuseeländischen Nummer!

Ich gehe ran. Eine Frau spricht viel zu schnell und mit starkem Kiwi-Akzent. Ich verstehe erst einmal nur die Hälfte. Nach ein paar Nachfragen habe ich heraus, was sie wissen will:

Das Wetter wird schlechter. Wenn ich heute fliegen will, muss ich sofort kommen. Es kann sein, dass wir nicht alle Gletscher erreichen können. In dem Fall gäbe es eine Teilrückerstattung. Ob ich einverstanden bin? Ich muss in 5 min da sein.

Wir einigen uns auf 10. Strom abkoppeln und los geht’s. In der Nähe des Büros sind alle Parkplätze belegt. Mit Glück finde ich doch noch einen. Kamera schnappen und im Laufschritt zum Büro.

Ich melde mich an der Rezeption und darf gleich auf die Waage steigen. Dann bekomme ich ein grünes Bändchen und eine Sicherheitseinweisung. Shuttles bringen uns zum Heliport.

Die Fahrerin erzählt, dass die kleine Hubschrauberfirma einer Familie gehört. Das Ehepaar hat zwei Töchter, eine kommt demnächst in die Schule. Sie weiß schon, dass sie nur die erste Klasse machen will. Das reiche vollkommen, denn dann möchte sie nur noch Hubschrauber fliegen.

Am Heliport werden wir auf die Maschinen verteilt. Mein Traum geht in Erfüllung: Ich darf vorne neben dem Piloten sitzen!

Die Helikopter werden nach Last beladen. Mein Gewicht entspricht anscheinend dem des Piloten neben mir. Die beiden Damen in der zweiten Sitzreihe sind etwas umfangreicher.

Anschnallen, Kopfhörer auf und los.

Senkrecht zu starten, ist ein merkwürdiges Gefühl. Wir nehmen Kurs auf ein kleines Seitental, in das wir hineinfliegen.

Ich kann mein Glück noch nicht fassen. VIP-Platz mit bester Aussicht, dazu Blick auf die Fluginstrumente und den Funkverkehr kann ich auch noch mithören!

Wir sind die erste der drei Maschinen und kundschaften die Lage aus. Die Wolkenbasis ist niedrig und Hubschrauber sind nur für VFR (visual flight rules = Sichtflug) ausgelegt. Die Piloten hoffen auf ein Wolkenloch, um durchstoßen zu können.

Aber Petrus hat andere Pläne: kein Wolkenloch. So kehren wir wieder um und es geht zurück in die Ebene. Obwohl ich eine Tour zu insgesamt vier Gletschern mit zwei Landungen (und Aussteigen) gebucht habe, kommt in mir keine Trauer auf.

Ich fliege im Helikopter. Zum ersten Mal, das allein ist es wert! Dann geht es in ein anderes Tal hinein. Und da taucht er auf: der Franz Josef Gletscher. Zuerst zeigt er uns seine gespaltene Zunge.

Der Pilot geht tiefer und wir fliegen den Gletscher hinauf. Jetzt offenbart sich seine ganze Schönheit: zerklüftetes Eis mit hohen Türmen. Leider können wir auf ihm nicht landen. Egal, ich bin tief beeindruckt.

Dann kehren wir um.

Nach 35 min Flug setzt der Pilot gekonnt am Heliport auf: Punktlandung. John, unser Pilot, macht noch ein Foto, während ich abwäge, ob ich nicht doch noch die Hubschrauberlizenz machen soll.

Wieder am Büro zurück, sagt mir die Angestellte eine Rückerstattung zu. Die kommt zwei Stunden später. Im Endeffekt habe ich für diesen Flug nur 60 Euro bezahlt! Das weckt erst recht die Lust nach mehr. Viel mehr.

Danach setze ich meine Fahrt nach Norden fort. Es geht immer am Gebirgszug entlang. Ich komme durch die Heron Colony und Shantytow, im ehemaligen Goldgräber-Gebiet Neuseelands.

Eigentlich habe ich vor, am Fuß der Berge auf einem Freedom Campingplatz zu übernachten. Als ich dort ankomme, kann ich es kaum fassen:

Auf dem Platz, der für 10 kleine Vans ausgelegt ist, stehen fünf Caravans und große Wohnwagen so, dass alles belegt ist. Den Vogel schießt ein Caravan ab, der quer über drei Plätze steht. Geniuslevel achieved!

Während ich aussteige, attackieren mich sofort die Sandmücken. Ich flüchte ins Auto und recherchiere im Internet. Dann buche ich einen Platz in Maruia Hot Springs, einem Glamping-Platz.

Glamping: Kunstwort aus Glamour und Camping. Das Ganze ist eine Art Spa mit heißen Quellen. Von Massagen, Yoga, Sauna bis zu 5 Gänge Menus wird alles geboten.

Ich habe einen einfachen Stellplatz für den Camper gebucht und freue mich auf Saunen und Thermalquellen.

So biege ich ostwärts ab und fahre Richtung Pass. Und schon bald kann ich riechen, dass ich auf dem richtigen Weg bin: Schwefel liegt in der Luft.

Angekommen stelle ich den Wagen ab und koche etwas. Dann schaue ich noch über den Fluss zu den Bergen hinauf. Darüber senkt sich die Nacht mit ihren aufziehenden Sternen. Dabei umwehen mich die Schwefeldämpfe.

Als ich später im Campervan liege und durch die Heckscheibe auf den Fluss schaue, weiß ich wieder einmal, warum ich reise:

Was für ein Glück, unterwegs sein zu dürfen!

Tag 10: Maruia Hot Springs – Kaikoura (205km / 4Std.)

Mein Wecker klingelt um 7 Uhr. Vor der Abfahrt will ich noch in die Sauna und in die Pools mit dem Thermalwasser.

Als ich im fahlen Morgengrauen an die Becken trete, bin ich allein. Ich lasse mich in einem der heißen Becker mit dem bräunlichen Wasser nieder.

Dieses entsteht durch spezialisierte Algen, die in Kombination mit dem schwefelhaltigen Wasser leben und besonders gut für Haut und Gelenke sein sollen.

Im dampfenden Wasser sitzend werde ich Zeuge, wie die Sonne die erste Bergspitze rot-golden aufflammen lässt. Bald wird noch eine zweite Spitze entzündet.

Als ich nach einem Saunagang wieder herauskomme, sitzt eine ältere Frau in einem der Pools. Wir kommen ins Gespräch und sie erzählt mir, dass dieser Platz schon 30 bis 40 Jahre existiert. Sie sei nun nach 10 Jahren wieder hergekommen, um zu sehen, wie er sich verändert habe.

Im Anschluss überlege ich kurz, ob ich mir noch eine Massage gönne, beschließe dann aber, weiterzufahren.

Es geht aus dem Gebirge heraus, bald fahre ich wieder an der Ostküste entlang. In Kaikuora stelle ich mich auf einen Campingplatz und beginne zu schreiben.

Während ich konzentriert arbeite, bemerke ich kaum, wie mein rechter Mittelfinger immer dicker wird. Als ich in den Camper zurückkomme, schmerzt er stark. Ein Blick zeigt mir ein ballonartig angeschwollenes knallrotes Fingerendglied.

Damit ist nicht zu spaßen. Die Blutversorgung kann durch die Schwellung abgeschnitten werden. Also: Seifenbäder und Antibiotikum. Wie gut, dass mir mein Hausarzt vorsorglich etwas mitgeben hat.

Tag 11: Kaikoura – Picton (160km / 2h 15min)

Wieder heißt es, früh aufstehen, denn ich habe ein Whale-Watching-Tour gebucht. Um 7.15 Uhr muss ich dort sein.

Beim Einchecken werde ich gefragt: „Wirst Du schnell seekrank? Dann kannst Du umbuchen.“ Im Gegenteil, ich liebe Wellen! Je höher, je besser!

Als wir rausfahren, ist von Seegang nichts zu spüren. Das Meer liegt glatt vor uns. Als wir aus der Bucht freikommen, ändert sich das schlagartig. Die ersten Tüten werden ausgeteilt, während ich mich einfach nur freue.

Wir sind unterwegs, um Pottwale zu sehen. Das Gebiet ist ideal dafür. Der Küstensockel fällt kurz vor Kaikoura steil auf 1600m Tiefe ab.

Zudem führt ein Unterwassercanyon direkt auf das Land zu, welcher mit starken Strömungen dafür sorgt, dass Tintenfische, die Hauptnahrung der Pottwale, nach oben getrieben werden.

Wir machen den ersten Halt und die Kapitänin versucht ergebnislos, mit dem Richtmikrofon die Wale zu orten. Ein zweiter Halt und sie kann ein Klicken ausmachen.

Das Boot beschleunigt, doch als wir an der Stelle sind, sind die Wale bereits abgetaucht. Auch ein dritter Versuch verläuft ohne Erfolg.

Dann bekommen wir unerwartet Hilfe aus der Luft. Ein Flugzeug hat Blauwale gesichtet. Schon schießt der Katamaran darauf zu.

Und wir haben Glück. Tastsächlich sind die Blauwale, die größten Tiere der Erde, zu sehen. Immer wieder können wir Rücken und Blas der Tiere ausmachen.

Ich versuche, dies in Bildern festzuhalten. Schon aus der Antarktik weiß ich, wie schwer das ist. Zudem kommen Blauwale immer nur teilweise aus dem Wasser und lassen nie die Schwanzflosse sehen.

Die Bilder geben das Erlebte nicht ansatzweise wieder.

Es ist ein ergreifendes Schauspiel, die Riesensäuger an die Oberfläche kommen zu sehen. Ihre langen Tauchgänge führen sie bis in 360 Meter Tiefe.

Sie jagen Krill. Ist es nicht merkwürdig, dass sich das größte Tier der Erde von so kleinen Lebewesen ernährt?

Immer wieder bestaune ich den gewaltig senkrecht aufsteigende Blas, der vom Ende eines bis zu 20-minütigen Atemhaltens kündet.

Auf der einen Seite ist es schade, dass wir nach 1 ½ Stunden wieder umkehren müssen. Ich hätte ewig auf dem Wasser bleiben können. Auf der anderen Seite bin ich tief berührt, diesen gewaltigen Tieren so nahe gekommen sein zu dürfen.

Auf der Rückfahrt kriegen wir noch einmal richtig Seegang. Immer stiller wird es in der Kabine. Noch mehr Tüten werden ausgeteilt und ein leicht säuerlicher Geruch durchzieht die Luft.

Wieder an Land arbeite ich mich mit dem Camper nach Norden vor. Dabei komme ich durch die Weinbaugebiete des Marlborough Bezirks. Irgendwo dort mache ich ein Nickerchen und bin abends in Picton, der Hafenstadt der Südinsel.

In der Innenstadt finde ich eine urgemütliche Kneipe, in der auch viele Locals essen gehen.

Ich versuche, bald ins Bett zu gehen. Morgen klingelt der Wecker um 5 Uhr. Dann geht es zur Fähre. Es ist Zeit, die Südinsel zu verlassen und die Abenteuer der Nordinsel zu planen.

Hinterlasse einen Kommentar