In Saurons Fängen.

Tag 12: Picton – Wellington (3 Std. 20min Überfahrt + 2 Std. Laden)

Als ich mich gestern am Terminal erkundigte, wie lange ich vor der Abfahrt da sein sollte, hieß es: „Sei um 5.15 Uhr da“.

Also stehe ich um 5 Uhr auf und rolle die 5 min zum Terminal. Dort stehen bereits vier weitere Autos. Die Checkin-Schalter machen aber erst um 6 Uhr auf. Also nutze ich die Zeit, um wieder einmal im Camper Ordnung zu schaffen.

Pünktlich um 6 Uhr gehen in den Terminals die Lichter an. Wir werden – je nach Fahrzeugtyp – in verschiedene Reihen eingeteilt.

Eine Stunde später kommt Bewegung in das Ganze. Zuerst werden die Laster geladen, dann komme ich an die Reihe. Die Fähre hat nur eine Rampe, also müssen wir beim Laden alle im Schiff drehen. Daher braucht alles seine Zeit. Gegen 8.45 Uhr legen wir ab.

Es geht hinaus durch die Queen Charlottes Sounds. Ich freue mich an der fjordartigen Landschaft. Als wir auf dem offenen Wasser unterwegs sind, schreibe ich für den Blog.

Dreieinhalb Stunden später kommen wir in Wellington an.

Ich fahre erst einmal zum Mount Victoria Lookout, um mir einen Überblick über Wellington zu verschaffen.

Danach kehre ich für einen Rundgang in die Stadt zurück. Doch es ist Wochenende, ganz Wellington ist bei starkem Wind und herrlichem Sonnenschein auf den Beinen. Parkplätze sind nicht zu finden und in die Parkhäuser passe ich mit meinem 2,7 m hohen Gefährt nicht hinein.

Also fahre ich an der Küste Richtung Campingplatz entlang. Noch einmal Einkaufen und 20 min später bin ich da.

Jetzt kann ich etwas Schlaf nachholen. Als ich im Büro frage, wie lange ich wohl morgen früh in die Innenstadt brauche, bekomme ich die Antwort: 2 Stunden! Für die gleiche Strecke habe ich gerade 35 min gebraucht!

Dann muss ich wohl morgen wieder früh aufstehen: Ich habe für 9 Uhr eine Tour in den Weta Caves gebucht. Und Weta hat geschrieben, dass man mindestens eine ¾ Stunde eher da sein soll, da die Parksituation schwierig ist.

Tag 13: Wellington – Napier (334km / 5h)

Um 6.30 Uhr mache ich mich in die Innenstadt auf. Von Staus oder Ähnlichem ist nichts zu sehen. So komme ich gegen kurz nach 7 Uhr bei den Weta Caves an und lege mich noch einmal hin.

Die Führung startet um 9 Uhr. Als erstes wird uns mitgeteilt, dass wir auf der Tour keine Fotos machen dürfen.

Weta wurde bekannt durch ihre Arbeit für der „Herr der Ringe“-Trilogie. Aber schon 12 Jahre zuvor wurde die Firma durch ein Pärchen, das sich für Fantasy-Geschichten und -Outfits begeisterte, gegründet. Die beiden begannen zunächst, entsprechende Kostüme und Props (Requisiten) für den eigenen Bedarf herzustellen.

Aus einem kleinen Laden wurde eine Filmfirma. Diese arbeitete mit Peter Jackson, dem Regisseur der „Herr der Ringe“, zuerst an „Meet the Feebles“ zusammen.

Durch die Mitarbeit an der Ringe-Trilogie waren sie gezwungen, immens zu wachsen. Kostüme, Kettenhemden und Schwerter mussten für Darsteller und tausende Komparsen designt und angefertigt werden.

Zudem brauchte Jackson spezielle Computereffekte. Also wurde kurzerhand noch Weta Digital aus dem Boden gestampft.

Weta und Weta FX haben bis heute an über 100 Filmen mitgewirkt und dafür 12 Oskars, 11 Baftas und zahlreiche andere Auszeichnungen erhalten .

Heute decken sie die Bereiche Konzept, Design, Props, Kostüm, Maske, Schwert-Herstellung und Special Effects ab. Zudem ist Wets der weltweit führende Hersteller von Kunstblut, wie uns die Führerin erklärt.

Begeistert zeigt sie uns Raum um Raum. Da sie selbst Make-Up-Artist ist, führt sie uns detailliert in die zahlreichen Schritte der Herstellung von Gesichtsmasken ein.

Jedes Haar muss beispielsweise einzeln mit einer speziellen Nadel gesetzt werden, so dass die Nachbildung einer einzelnen Augenbraue einen ganzen Arbeitstag in Anspruch nimmt.

Wie schade, dass das Fotografieren verboten ist! Im letzten Raum dürfen die Kameras zum Vorschein kommen und ich schieße ein paar Bilder.

Es gäbe noch die Möglichkeit, in ein paar Kostümen vor einem Greenscreen zu posieren. Darauf verzichte ich dankend. Ich bin kein Faschingstyp.

Nach der Führung starte ich den Camper und fahre nordwärts durch die Tarura Ranges der Hawkes Bay zu, um in Napier zu übernachten.

Tag 14: Napier – Tongariro National Park (229 km / 3,5 Std)

Als ich aufwache, regnet es. Eigentlich hätte ich Napier besichtigen wollen. Die Stadt wurde bei einem Erdbeben zerstört und im Art-Deco-Stil wiederaufgebaut. Auch der Besuch der Tölpel-Kolonie am Cape Kidnappers hätte mich gereizt.

So packe ich in Ruhe zusammen und mache mich auf den Weg in den Tongariro-Nationalpark. Dabei komme ich am Lake Taupo, einen der größten Seen Neuseelands vorbei.

Am frühen Nachmittag erreiche ich den kleinen Selbstversorger-Campingplatz im Nationalpark. Begrüßt werde ich von einem Nachbarn, der an der Anhängerkupplung seines Wohnwagens schraubt.

Er erzählt, dass er und seine Frau 1974 von England nach Neuseeland ausgewandert sind. Seinen Beruf als Schlachter habe er aufgegeben und in der Bauindustrie als Zimmermann gearbeitet. Jetzt sei er pensioniert.

Ob die Einbürgerung schwierig gewesen sei, will ich wissen. „Oh nein, für jeden Mann gab es damals 4 Jobs. Nach 18 Monaten waren wir neuseeländische Staatsbürger. Das waren andere Zeiten.

Ruhig ist es gewesen, Autos waren Luxusgegenstände. Kaum Touristen. Heute wird alles immer voller.“

Auf meine Frage, ob er England vermisse, den Schritt je bereut habe, antwortet er: „Nein, England und vor allem das Wetter dort vermissen wir nicht. Ein paar Jahre sind wir noch hingefahren, solange die Schwiegermutter lebte. Heute lebt niemand mehr von denen, die wir kannten. Unsere Kinder leben auch hier. Wir haben unseren Schritt nie bereut.“

Für die Tour morgen bereite ich den Rucksack gewissenhaft vor, packe Kleidungsschichten, Proviant, Traubenzucker (Insider-Joke) und Erste-Hilfe-Set ein. Immerhin erwarten mich morgen 21 alpine Kilometer, auf die ich mich schon lange freue.

Meine Wertsachen kommen – wieder einmal – in das PacSafe-Stahlnetz, dass ich im Auto festmache. Nochmal einen Dank und Gruß an die Eltern der ehemaligen 8b!

Tag 15: Tongariro Alpine Crossing

Um 7.30 Uhr holt mich ein Shuttle ab und bringt mich zum Beginn des Tongariro Alpine Crossing. Diese Route führt hinauf in die Vulkanlandschaft Neuseelands.

Hier wurden die Modor-Szenen aus „Herr der Ringe“ gedreht. Im Feuer des Schicksalsbergs hatte Sauron den Meisterring geschmiedet und hierhin musste Frodo ihn zu dessen Vernichtung bringen.

Sauron ist mit einem Besuch heute nicht einverstanden. Dichter Nebel wird von einem Sturm an die Hänge gepeitscht. Ich ziehe meine Jacke zusammen und mache mich auf den schicksalshaften Weg.

Je höher ich hinaufsteige, desto stärker greift der Wind und Regen nach mir. Sicht: ca. 15 Meter.

Die ersten 400 Höhenmeter gehen sich trotzdem noch recht gemütlich. Doch dann kommt das Steilstück. Immer wütender über die frechen Eindringlinge greift Sauron mit Sturmgeißeln zu.

Ich muss mich seitwärts gegen den Wind stemmen, um nicht vom Berg geweht zu werden, während der Regen Hände und Gesicht taub macht.

Als ich an der höchsten Stelle angekommen bin, sehe ich nur dies vor mir:

Dann geht es über einen Rücken wieder etwas hinab. Täusche ich mich oder lässt das Wetter etwas nach? Und tatsächlich, nach und nach klart es auf.

Die beiden Bergseen kommen in den Blick. Und schließlich gibt sich Sauron geschlagen: Die Sonne kommt durch. Trotzdem peitscht der Wind.

Durch die Caldera geht der Weg weiter. Hier greift der Wind wieder zu. Es ist, als ob das Böse den Wanderer nicht wieder freigeben und für immer in seinen Klauen behalten will.

Ich kämpfe mich auf den Pass, auf dem der Sturm noch einmal seine Kraft entfaltet. Doch dann muss sich Sauron geschlagen geben.

Es geht es im leichten Windschatten hinab. Langsam steige ich durch die Vulkanlandschaft in die Graszone hinunter.

Nach knapp 5 Stunden habe ich die 21 km mit 800 Metern Steigung und 1120 Metern Abstieg hinter mich gebracht.

In strahlendem Sonnenschein warte ich auf das Shuttle, das mich nach dieser gelungenen Wanderung wieder zurück zum Campingplatz bringt.

Pünktlich zur Rückkunft fängt es wieder an zu regnen. Ich steige in den Camper und verbringe mit der heißen Rothaarigen und Blaublütigen einen gemütlichen Leseabend.

Tief erfüllt schlafe ich ein.

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