Great Barrier Reef.

Airport Ciarns. Ich sitze am Gate und warte auf das Boarding für den Flug nach Sydney. Meine Gedanken wandern zurück. Vor zwei Tagen bin ich vom Great Barrier Reef zurückgekommen.

Rückblende

Am Tag bevor es auf das Tauchboot geht, fahre ich zum Pro Dive Shop und checke ein. Wie gewöhnlich wird der Papierkram erledigt: Tauchlizenz, Haftungsausschluss, Nachweis der Tauchtauglichkeit und Datum des letzten Tauchgangs.

Liegt der letzte Tauchgang mehr als 6 Monate zurück, muss ein Überprüfungstauchgang absolviert werden.

Nun werde ich weitergeschickt, um die Ausrüstung zusammenzustellen.

„Größe BCD?“ (Tarierweste). „M.“

„Schuhgröße?“ (für die Flossen). „42 – 43.“

„Maske und Schnorchel?“ „Nein danke, habe ich selbst.“

Der Mitarbeiter stopft alles in eine Kiste und beschriftet sie mit meinem Namen.

„Und der Neoprenanzug?“, frage ich. „Keine Sorge, den kriegst Du auf dem Boot.“

Bevor ich gehe, wird noch einmal der Abholpunkt für den nächsten Morgen überprüft.

„Ok, dann bis morgen früh, Punkt 6 Uhr, am Campingplatz in der Little Street, richtig?“ „Ja.“

Um 5 Uhr stehe ich auf, packe die restlichen Sachen und parke den Camper auf der Straße außerhalb des Platzes. Alle wertvollen Sachen habe ich bei mir und hoffe, dass er nicht aufgebrochen wird.

Kurz nach 6 Uhr, ein Kleinbus fährt vor. Ich stopfe meine Rucksäcke in den Kofferraum. Im Bus sitzen schon zwei junge Frauen, die mindestens genauso müde aussehen wie ich.

Als alle zusammengesammelt sind, geht es noch einmal in den Shop. Einige stellen noch ihre Ausrüstung zusammen, andere geben Gepäck zur Verwahrung ab.

Wieder zurück im Bus fahren wir in den Hafen. Dort liegt die „Scubapro 2“, unser Tauchschiff.

Nachdem das Gepäck und wir an Bord sind, das erste Briefing. Jeder von uns bekommt eine Sicherheitsnummer: „Tom – Nummer 21.“

Die Nummer wird bei jedem Tauchgang und vor jeder Weiterfahrt des Schiffs überprüft, um sicherzustellen, dass alle an Bord sind.

Jetzt bekommen wir die Kabinen zugeteilt. Mein Kollege ist Connor, ein junger Australier, der auf dem Boot seinen Open Water-Schein machen will.

Insgesamt sind wir eine bunt gemischte Truppe. Viele machen eine Lizenz: Open Water, Advanced, Nitrox oder Rescue Diver. Bei einer Teilnehmerzahl von knapp 30 sind lediglich 12 dabei, die keine Ausbildung machen.

Nach der Einweisung ins Boot erklärt uns der Kapitän, dass wir 3 Stunden Fahrt mit recht rauer See vor uns haben.

„Wer empfindlich ist, nimmt die Seekrankheitstablette jetzt. Die wirken nicht, wenn ihr sie erst nehmt, wenn Euch schon schlecht ist!“

Die meisten lächeln zuversichtlich. Als wir aus dem geschützten Bereich freikommen, ändert sich dies schlagartig. Nach und nach ersterben Gespräche, Gesichter werden fahler. Die ersten Tüten erfüllen ihren Zweck.

Auch mir ist ein bisschen flau, aber es geht. Ich erkläre die Fahrt zum Test meiner Seetauglichkeit für die Atlantikquerung.

Als wir am Riff ankommen, wieder ein Briefing: „Wie ihr gelesen habt, sind dies Tauchgänge ohne Guide.“ Oh je, das habe ich nicht. Nervosität kriecht in mir hinauf.

„Ich gebe Euch Einweisungen und Kompasskurse für jedes Riff. Jetzt sucht sich jeder einen Buddy und dann kann es auch schon losgehen.“

Noch nie bin ich ohne Guide in unbekannten Gewässern getaucht. Zwar lernt man die Navigation unter Wasser im ersten Kurs, aber das habe ich seitdem nie wieder gemacht.

Vor acht Jahren hatte ich das erste Mal die Idee, auf Weltreise zu gehen. Schon damals stand fest, dass ich ans Great Barrier Riff möchte.

Genau für dieses Riff habe ich dann den Tauchkurs gemacht: Mir war klar, dass ich es mir nicht nur von oben durch Boote mit gläsernem Boden anschauen wollte.

Und nun bin ich endlich da!

Ich finde mich mit Jorge, einem jungen Spanier, zusammen. Eine sehr glückliche Wahl, wie sich herausstellen wird.

Dann stellt uns James das Riff und die Fische vor, die wir wahrscheinlich sehen werden. Auch nennt er uns Wiedererkennungspunkte und Kompasskurse.

Ab aufs Tauchdeck. In unseren Kisten mit der Ausrüstung finden wir anstatt eines Neoprenanzugs einen schwarzen Stingersuit, der aussieht wie eine Mischung aus Gymnastikanzug und Ganzkörperkondom. Echt sexy.

Der Anzug dient nicht der Wärmeerhaltung, sondern lediglich dem Schutz vor Quallen und Ähnlichem. Neben einer Kapuze sind auch eine Art Handschuhe angenäht.

Ich kämpfe mich in das wabbelige Teil, checke das Gasgemisch in der Flasche, zeichne die Sicherheitsliste ab, schnalle Gewichte und Tauchuhr an, überprüfe Flaschendruck, den BCD, beide Regulatoren und zwänge mich in die Ausrüstung hinein.

Jorge ist schon lange fertig; etwas, was die ganze Tour so bleiben wird. Wie er das so schnell schafft, bleibt mir unerklärlich. Jetzt noch der Partnercheck, dann kann es losgehen.

Die ersten zwei Tauchgänge unternehmen wir mit Jonathan, einem Diveinstructor, der aber privat hier ist.

Er übernimmt die Führung. Wie gut, so komme ich erst einmal um das Navigieren herum. Beim dritten Tauchgang wird es ernst.

James gibt uns folgende Anweisung: „Auf dem Hinweg 30 Grad bis zu der gezeichneten Felsformation, dann Umgebung erkunden, Rückkehr zum Felsen und auf Gegenkurs zum Boot.

Im Wasser kommen wir gut voran, finden die Formation schnell und erforschen die Umgebung. Als wir wieder dorthin zurückkommen, zeigt Jorge für den Rückweg eine ganz andere Richtung als ich an.

Unter Wasser kann man nicht reden. Ich versuche, ihm die Rechnung klarzumachen: 30 + 180 = 210 Grad. Er versteht meine Zeichen nicht. Ein Blick auf seinen Kompass zeigt, dass er 120 Grad eingestellt hat.

Als alles nichts hilft, greife ich mir seinen Kompass und drehe den Ring auf 210. Sicher erreichen wir das Boot.

Wir machen es uns nun zur Gewohnheit, jeden Tauchgang nachzubesprechen und entwickeln eine Reihe von Zeichen.

Wir bekommen bald von den anderen den Spitznamen „die Unterwasser-Diskutierer“, was wir als eine Auszeichnung betrachten.

Jeden Wegpunkt, jeden Kurs zeigen wir uns im Laufe des Tauchgangs. Erst, wenn beide das OK geben, machen wir weiter.

Es zeigt sich, dass wir verschiedene Stärken haben, die sich hervorragend ergänzen: Jorge ist ein toller „Schrittmacher“. Er taucht langsam und gleichmäßig. Dadurch verbrauchen wir deutlich weniger Luft. Ich bin der bessere Navigator.

Außerdem haben wir, bis auf kleine Unterschiede, immer den gleichen Luftverbrauch. Unterschiedlicher Verbrauch in einer Gruppe sorgt oft für Spannungen:

Derjenige mit mehr Luft im Tank ärgert sich darüber, so früh an die Oberfläche kommen zu müssen. Und der andere gerät unter Druck, dem anderen den Tauchgang durch frühes Auftauchen-Müssen „versaut“ zu haben.

Wir sind also ein hervorragendes Team und freuen uns auf jeden gemeinsamen Tauchgang.

Und was wir unter Wasser zu sehen bekommen, ist spektakulär. Gleich beim zweiten Tauchgang treffen wir auf verschiedene Riffhaie.

Ein anderes Mal kommen wir zu zwei knapp 1 Meter großen Schildkröten, die erst miteinander und dann mit uns spielen. Auch ein marmorierter Stachelrochen ist wieder dabei.

Bei den Nachttauchgängen bewegen wir uns zwischen großen Schwärmen Barrakudas, die am Riff auf Jagd gehen. Einmal trifft mich ein Schwanzschlag der gut armlangen Tiere, was sich wie ein mittelstarker Faustschlag anfühlt.

Der sicherlich schönste Tauchgang ist der letzte. Nach unserer Runde zwischen den Riffen haben wir noch etwas Zeit. Jorge taucht in einen Einschnitt hinein. Ich folge ihm und wir kommen über einen Sattel.

Dahinter tut sich eine weite, weiße Sandmulde auf. Rundherum sind herrliche Korallen, zwischen denen sich verschiedenste Fische in leuchtenden Farben bewegen. Wir sind allein an dieser Stelle, kein anderer findet diesen kleinen Garten Eden.

Dann kommt auch noch die Sonne heraus und ich filme ausgiebig. Überglücklich steigen wir ins Boot.

Leider muss ich später feststellen, dass meine Kamera gerade dies nicht aufgenommen hat. Wie schade! Den Zusammenschnitt der Tauchvideos werde ich später hier noch einfügen.

Wieder an Land sind wir alle traurig, dass die schöne Zeit schon vorbei ist. Es ist schade, dass wir nicht weiter miteinander tauchen werden. Mit etwas Wehmut verabschieden wir uns voneinander.

Am nächsten Tag gebe ich den Camper ab und bleibe noch eine Nacht in Cairns.

Gerade wird mein Flug zum Boarden aufgerufen. In 3 ½ Stunden geht es die 3870 km, die ich mit dem Van nordwärts gefahren bin, wieder zurück. Jetzt noch zwei Tage in Sydney und dann fliege ich nach Puerto Rico.

4 Antworten zu „Great Barrier Reef.”.

  1. beneidenswert was Ihr erlebt habt! Aber ich gönne es Dir von Herzen!

    Leider muss ich mich Schnorcheln beschränken, da ich eine taubeneigroße Aracneudalzyste im Kopf habe! Die Ärzte haben mich vor zu großen Druckunterschieden gewarnt, die ein Platzen derselben zur Folge haben könnten… also bleibt mir das tiefe Tauchen versagt!

    Habe aber schon ein wunderbares Erlebnis beim Schnorcheln in einem Korallenriff in Candidassa, Bali erlebt!

    Dir wünsch ich weiterhin spannende Erlebnisse!

    Herzlichen Dank für dern Reiseberichte!

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    1. Danke, lieber Wolfgang,
      ja, ich erinnere mich an diese Einschränkung von Dir. Die hattest Du schon, als ich bei Euch als Zivi war, oder?

      Nach dem Segeln geht es sehr wahrscheinlich nach Indonesien und dort auch zum Tauchen.

      Ganz liebe Grüße
      Tom

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      1. Avatar von Martina Blume

        HalloTom, bist du wieder zurück in Deutschland, ich bekomme gar keine Berichte mehr?

        Gruß Martina Blume

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      2. Liebe Martina,
        ich bin derzeit auf einem Segelboot im Atlantik von Puerto Rico nach Spanien unterwegs. Wir haben mit dem Segeln gut zu tun und es bleibt wenig Zeit/ Muße zum Schreiben. Außerdem ist das Internet hier begrenzt. Wir hoffen, in 5 bis 6 Tagen in Horta/ Azoren zu sein. Dort stehen aber auch eine ganze Menge Reparaturen an.

        Mal sehen, wann ich zum Schreiben komme. Spätestens nach der Überführung des Boots.

        Freu Dich auf spannende Berichte von diesem Abenteuer.

        LG
        Tom

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